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 Stefan Gwildis (Januar 2007)

Stefan Gwildis und Band, Rolf-Liebermann-Studio des NDR in Hamburg, 21. Januar 2007

 

Gewaltige Stimmung trotz strenger Ordnung: Stefan Gwildis stellt sein neues Album „Heut ist der Tag“ vor

Fotos von Manni Otto (www.otto-photo.de)

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Dortmund, 14. Juni 2006: Zitat aus der Fußball-WM-Bibliothek der Süddeutschen Zeitung, Kapitel über das Vorrundenspiel Deutschland gegen Polen: „Mit dem Schlusspfiff verlor das Spiel der deutschen Mannschaft vollkommen die Ordnung. Wie durchgeknallte Computerfiguren rasten die Schwarzweißen über den Rasen, an der rechten Außenlinie kam es zu tumultuösen Rudelbildungen. [...] Eine solche Stimmung in der Arena [...] hatte noch kein Länderspielsieg in der Historie des Deutschen Fußball-Bundes ausgelöst. [...] Sollte man an diesem ekstatischen Abend also die Geburt einer großen Mannschaft feiern?“

 

Hamburg, 21. Januar 2007: Mit dem Schlusspfiff, dem Ende des regulären Konzerts, verlor das Spiel der Stefan-Gwildis-Band, die Moderation und das Publikum vollkommen die Ordnung. Wie durchgeknallte Computerfiguren rasten Stefan Gwildis und Cheftexter Michy Reincke zu Klängen von „Mama mag ihn“ über die Bühne und über die von NDR 90.3 bereitgestellten Interview-Kisten. An der rechten Außenlinie kam es zu tumultuösen Zwischenrufen, für die Fiete Gwildis (auf dem Arm seiner Mutter Lina) verantwortlich zeichnete. Während in der ersten Reihe die gesanglichen Qualitäten einiger NDR-Moderatoren deutlich zu wünschen übrig ließen („Friedhelm, sing“), stand eine andere NDR-Moderatorin so unter dem Eindruck des Konzerts, dass ihre selbst definierte zeitliche Einordnung („liebes Publikum, heute ist Freitag statt Sonntag“) völlig ins Schwimmen geriet: war nun Sonntag, Freitag, etwa Montag? Eine solche Stimmung im Rolf-Liebermann-Studio hatte wohl noch kein Konzert in der Historie des NDR ausgelöst (NDR-Moderator: „Das Rolf-Liebermann-Studio brennt.“) Sollte man an diesem ekstatischen Abend also die Geburt eines großen Albums feiern?

 

Aber beginnen wir am Anfang des Konzerts: Streng geordnet, hoch diszipliniert, so begann das Spiel zur erstmaligen Live-Präsentation des neuen Stefan-Gwildis-Albums „Heut ist der Tag“. Nicht nur auf der Bühne ging alles geordnet zu (Stefan Gwildis stand etwas angewurzelt vor dem Notenständer, der alle Texte des neuen Albums enthielt), sondern auch bei der Moderation: Jacqueline Heemann von NDR 90.3 machte das Publlikum darauf aufmerksam, dass zwar heute Sonntag Nachmittag sei, aber später das Publikum so reagieren müsse, als ob Freitag Abend sei: Das Konzert würde an einem Freitag Abend im Radio gesendet werden.

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Christian Buhk und Jacqueline Heemann von NDR 90.3:
Vor dem Konzert war mit der Abfolge der Wochentage von Sonntag bis Freitag noch alles in Ordnung.

 

Hinten auf der Bühne saßen auch wieder in mehreren Stuhlreihen Leute aus dem Publikum. Auffällig war zunächst nur, dass sie auffallend ähnlich gekleidet waren, Grundton schwarz. Auffällig auch zu Beginn des Konzerts, dass sie erstaunlich musikalisch zu sein schienen und beim Mitklatschen nicht die üblichen Aus-dem-Takt-kommen-Fehler machten. Erst später stellte sich heraus, dass Stefan Gwildis und sein Team hier einen Vorschlag des Lone Reviewer vom Januar 2006 aufgegriffen hatten. Damals hatten wir beim Konzertbericht aus der Musikhalle (siehe hier) vorgeschlagen, dass man die Zuschauerplätze hinten auf der Bühne an einen Gospelchor versteigern könnte. Die Versteigerung bei Ebay hatte im Januar 2007 wohl der 23köpfige Open-Hands-Chor aus Othmarschen unter Leitung von Christoph Salje gewonnen. So kann aus einer Satire von 2006 plötzlich der Ernstfall in 2007 werden.

 

Und auch die Plätze in der Band hatten wir ja im Januar 2006 meistbietend versteigert. Damals konnten alle Stammusiker der Gwildis-Band noch ihre Plätze erobern. In diesem Jahr verlor Mirko Michalzik, der Stammgitarrist, den Wettbewerb gegen Jörn Heilbut (Michy-Reincke-Band, Jeremy Days). Bevor wir jetzt wieder in eine Satire abgleiten: Natürlich wurde da nichts versteigert: Aufgrund von Trainingsrückstand wurde die halblinke Position mit Ersatzspieler Jörn Heilbut besetzt. Und dass Ersatzspieler dann voll einschlagen können, hatte man im schon erwähnten Fußball-Weltmeisterschaftspiel an den Einwechselspielern David Odonkor und Oliver Neuville gesehen. Auch im Rolf-Liebermann-Studio machte Jörn Heilbut schon beim ersten Lied („Heut ist der Tag“) mit einem Gitarrensolo auf sich aufmerksam.

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Als wir uns vor dem Konzert die Karten holten, ahnten wir noch nicht, dass unsere Plätze in der dritten Reihe einen Teil der Ersatzbank darstellten. Kurz vor dem Konzert nahm jedenfalls zu unserer Überraschung der Stammspieler Mirko Michalzik dann direkt neben uns Platz. Was für eine Ehre.

 

Nicht nur kurzfristiger Ersatz, sondern jetzt ganz neu im Team waren auf der linken Außenposition die Bläser. Nach der Trennung von den Boxhorns hatte Stefan Gwildis im Liebermann-Studio die „Elbhorns“ dabei, die aber wieder mit der klassischen Trio-Besetzung Saxophon (Tim Rodig),  Trompete (Michi Leuschner) und Posaune (Jon Welch) antraten. Zwar gab es an diesem Abend kein Posaunensolo, dafür konnten aber Tim Rodig (mehrfach) und Michi Leuschner (bei „Wie weit wolln wir gehn“) mit Soli glänzen.

 

Auf Rechtsaußen war der Background-Gesang noch einmal verstärkt worden. Das Traum-Trio Julia Schilinski, San Glaser und Regy Clasen wurde noch ergänzt um die Background-Sängerin Marion Welch, die auch die Gospelchöre auf „Heut ist der Tag“ arrangiert hatte. Der Chor, der im Auftakttitel „Heut ist der Tag“ noch zu sehr in den Hintergrund gemischt wurde, feuerte dann in der Folgezeit doch außergewöhnlich und war damit schon einer der Höhepunkte des Konzertes.

 

Das Publikum war zunächst auch sehr ordentlich: Das Rolf-Liebermann-Studio des NDR mit seinen steil aufragenden, fest installierten Stuhlreihen animierte das Publikum zunächst zum Stillsitzen.

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Während der traditionellen Begrüßung des Publikums (Gwildis allein an der Gitarre) litten wir dann schon wieder mit dem Künstler: Stefan Gwildis erwähnte, dass er sich sehr darüber freut, dass das Publikum bei Hagel und Sturm in das NDR-Studio gekommen war, und dass sich keiner hat wegwehen lassen. Was nun, wenn am Tag der Ausstrahlung schönstes, windstilles Sonnenwetter herrscht? (P.S.: Es kam nicht so: Ein kleiner Schneesturm zog während der 90.3-Übertragung über das Land.)

 

Am Ende der Begrüßung stellte Stefan Gwildis seine Band vor. Da das Schlagzeug etwas früh den Auftakttitel „Heut ist der Tag“ einleitete, musste er nun eilig die noch vergessenen Musiker ergänzen. Wie so oft, hatte er dabei wieder einen vergessen: Die Vorstellung von Matze Kloppe an den Keyboards rechts auf der Bühne musste bis zum Ende des Konzertes warten.

 

Hier die vollständige Stefan-Gwildis-Band des NDR-90.3-Konzertes:

 

Stefan Gwildis (Gesang, Gitarre, Percussion)

Martin Langer (Schlagzeug)

Achim Rafain (Bass)

Jörn Heilbut (Gitarre)

Ralph Schwarz (Keyboards)

Matze Kloppe (Keyboards)

Pablo Escayola (Percussion)

 

Die Elbhorns:

Tim Rodig (Saxophon)

Michi Leuschner (Trompete)

Jon Welch (Posaune)

 

Background-Chor:

Julia Schilinski

San Glaser

Regy Clasen

Marion Welch

 

Gospel-Chor:

Open Hands Chor Othmarschen (23 Sängerinnen und Sänger) unter Leitung von Christoph Salje

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Im Konzert wurde (streng geordnet) das neue Album vom ersten bis zum letzten Titel (in der Track-Reihenfolge des Albums) vorgestellt. Der letzte Titel (Warum liebst Du mich nicht) wurde dabei als Schlusstitel in die Zugaben verschoben. Der versteckte Titel des Albums (Hinter den Gardinen) bot für einen fröhlichen Konzertabend doch zu viel Tiefe und wurde nicht auf die Bühne gebracht.

 

Konzert-Setlist:

    1.Heut ist der Tag

    2.Tanzen übern Kiez

    3.Amelie

    4.Irgendwas geht immer

    5.Wie ein richtiger Mensch

    6.Großer Mond

    7.Ich bin da

    8.Schöner

    9.Anker werfen – Segel setzen

    10.Wie weit wolln wir gehen

    11.Geht klar!
     

Zugaben:

    1.Sie ist so süß

    2.Mama mag ihn

    3.Warum liebst Du mich nicht

 

 

Das Konzert wurde hinter „Amelie“ und „Ich bin da“ jeweils durch 5-minütige Interviews unterbrochen. Die beiden Moderatoren, Christian Buhk und Jacqueline Heemann von NDR 90.3, hatten leichtes Spiel: selbst bei platten „schwarz-weiß“ Fragen half Stefan Gwildis mit seinen satirischen Antworten weiter. Auf die Frage von Buhk, ob die Texte eher persönliche Erlebnisse widerspiegeln oder auf dem Reißbrett entstanden sind, antwortete Gwildis, da wäre man streng nach Reißbrett vorgegangen, es gäbe da ein Handbuch für Musiker. Und die Frage von Heemann, ob auf den Zetteln auf den Notenständern die Liedertexte ständen, kam die Antwort, das seien die Rouladenrezepte für morgen Abend. Immerhin wischte Stefan Gwildis der Jacqueline Heemann sogar noch die Kiste ab (womit die staubige Interview-Kiste gemeint war, auf der die Interviews stattfanden .. und die natürlich auch keine Interviewkisten waren, sondern zu den Bühnenaufbauten gehörten). Die zweideutige Bemerkung vom „Kiste abwischen“, einer der großen Lacherfolge am Live-Abend, fielen in der späteren NDR-Übertragung dann der Schere zum Opfer.

 

Zu den einzelnen Titeln des Abends:

 

„Heut ist der Tag“ war der perfekte Auftakt, mit einem Gitarrensolo von Jörn Heilbut, einem etwas verwachsten Schluss, dafür aber einem Wiedereinsatz mit Mitsingteil für das Publikum.

 

„Tanzen übern Kiez“ wurde nicht nur vom treibenden Schlagzeug-Bass-Gitarre-Hammond-Quartett angeheizt, sondern auch von Bläsern und Background-Chor. Der Soulklassiker war bereits im Hamburger Stadtpark im August 2006 getestet worden, gewann aber durch das dichtere Arrangement im NDR-Studio noch. Das Saxophon-Solo von Tim Rodig leitete dann in einen nur vom Schlagzeug untermalten Refrain ein, der dem Publikum wieder Raum zum Mitmachen bot.

 

Einer der ruhigeren Titel des Albums, „Amelie“, ist wohl auf dem Album als auch live einer der Höhepunkte. Der Titel über eine Frau, die zu sehr ihrer Vergangenheit nachhängt und nicht aktiv ihre Zukunft betreibt, glänzt mit einem schönen Text („in den Rückspiegel schaun, um die Spur wechseln zu können“) und einem phantastischen Gospel-Mittelteil. Während in der Live-Version der Fernsehsendung „3nach9“ wenige Tage vor dem Konzert der Background-Chor allein „ackern“ musste, um den zweistimmigen Gospelteil zu bewältigen, gab es im Liebermann-Studio Unterstützung durch den 23-köpfigen Open-Hands-Chor, der plötzlich von seinen Sitzplätzen aufsprang und sich in zwei Reihen hinten auf der Bühne formierte.

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Der Background-Chor mit dem Gospelchor im Hintergrund: Die vier waren von links Marion Welch, Regy Clasen, San Glaser und Julia Schilinski

 

Vor „Irgendwas geht immer“ wurde dann noch kurz mit dem Publikum das Mitsingen geprobt. Das „nanana“ lief dann schon ganz gut, der Gospelchor im Publikum half natürlich auch kräftig mit. Der Song selbst wurde dann wieder von dem Bläsertrio angetrieben. „Vielleicht geht da noch mehr“, dachte sich auch ein großer Teil des Publikums, das noch an der starren Bestuhlung klebte. Und tatsächlich: Auch dieser Song ging in die mit sparsamer Instrumentierung unterlegte Verlängerung. Der Schluss soff dann wieder etwas ab.

 

Beim Lou-Rawls-Cover „Wie ein richtiger Mensch“ klebte Stefan Gwildis nun sichtbar an den auf dem Notenständer befestigten Texten. Man merkte daran, dass es die erste Live-Präsentation des Albums war. 12 neue Songs forderten ihren Tribut.

 

Eines der ungewöhnlichsten Stücke auf dem Album ist  der Reggae-Soul-Verschnitt „Großer Mond“, im Original von den Neville-Brothers. Mit verstärkter Percussion-Abteilung (Michi Leuschner an der Pfandflasche) brachte die Band das klöternde Leergut am Lenker des Fahrrads zum Klingen. Damit wurde das Reggae-Feeling textlich nach Brandenburg gebracht: Der Hartz-IV-gebeutelte Fahrradfahrer auf holprigen, dunklen Wegen, die von den Sanierern zurückgelassen wurden. Musikalisch wurde das Lied durch zwei Soli zum Höhepunkt: Zunächst Tim Rodig am Saxophon, dann Pablo Escayola und Martin Langer an Percussion und Schlagzeug.

 

Ein großer Auftritt des Gospel- und Background-Chors kam dann im nächsten Lied, „Ich bin da“. Im Studio noch von Stefan Gwildis und Laith Al-Deen im Wechsel im Lead-Gesang eingespielt, konnte sich Stefan Gwildis im Liebermann-Saal auf 27 Stimmen im Hintergrund verlassen.

 

Nach drei Cover-Versionen kam Stefan Gwildis danach wieder zur Normalität des Albums zurück. Will man eine Hitliste der schönsten Lieder auf dem Album festlegen, so würden auf den Top-Rängen sicher Eigenkompositionen des Teams Gwildis/Reincke liegen, so auch „Schöner“, der nächste Titel. Und natürlich ist auch „Schöner“ live auch noch viel „schöner“, da Matze Kloppe, der zu Beginn Übergangene,  nicht nur ein tolles Klaviersolo beisteuern konnte, sondern auch in der Folgezeit durch Tasteneinsprengsel die Akzente in der Begleitung setzte.

 

Mit „Anker werfen, Segel setzen“ kam ein Klassiker aus der Gwildis-Urzeit mit der ersten Band, den Strombolis, wieder zu Ehren. Während diese Ballade auf dem Album etwas zu glatt produziert ist, wurde die zweitbeste Version live im Liebermann-Konzert gespielt. Die warmen Keyboard-Klänge und die Bassgitarre kamen neben dem gospelartigen Background-Gesang live voll zur Geltung. Die beste Version von „Anker werfen“, live im Hamburger Stadtpark im August 2006 nur im Duett von Achim Rafain (Bass) und Stefan Gwildis gespielt und gesungen, war ein einsamer Höhepunkt. Vielleicht wagt Stefan Gwildis ja dieses Minimal-Arrangement wieder einmal auf der kommenden Tour.

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Beifall von den beiden Chören für Pablo Escayola (Percussion), Achim Rafain (Bass) und Matze Kloppe (Keyboards)

 

„Wie weit wolln wir gehen“ begann mit sphärischen Percussion- und Gitarrenklängen, einer tollen Trompetenarbeit von Michi Leuschner und einer sehr erotischen Basstimme von Stefan Gwildis („Oh yeah, Baby“). Diese Eigenkomposition, irgendwo zwischen Soul- und Jazz-Ballade, erinnerte auch wieder an die frühen Gwildis-Alben „Komms zu nix“ und „Wajakla“. Auch die Texter erinnerten an frühe Tage: Neben Stefan Gwildis war bei diesem Titel Rolf Clausen, der Co-Straßenmusikant von Stefan Gwildis, für den Text verantwortlich.

 

Das reguläre Konzert endete mit einem Knaller. Textlich der Nachfolger von „Komms zu nix“, geht es auch in „Geht klar“ um vielbeschäftigte Leute, die es nicht schaffen, einige wesentliche Alltagsdinge zu organisieren. Waren es in „Komms zu nix“ eher die langfristigen Träume, die aus Zeitgründen nicht umgesetzt werden konnten, geht es in „Geht klar“ eher um die tägliche Arbeit zu Hause. „Geht klar, ich kümmere mich darum“, sagt der Vielbeschäftigte seinem Lebenspartner .. und hat es aus Zeitgründen natürlich wenige Stunden später wieder vergessen. Musikalisch ist diese Eigenkomposition ein Highlight, die man zunächst sogar in den Annalen von Earth, Wind and Fire oder Stevie Wonder sucht .. bis man merkt, dass die eigenständige Melodie nur arrangiert wurde in der Tradition dieser Weltstars. Die Bläser und der Background-Chor setzen musikalisch wieder die herausragenden Momente, inklusive eines kurzen Bläser-Solos. Das zweite Solo stammte dann von Ralf Schwarz an der Hammond – leider an diesem Abend ein etwas zu seltenes Ereignis. „Geht klar“ ging dann noch in die Verlängerung, mit einer – dieses Mal vollständigen – Bandvorstellung durch Stefan Gwildis. Dann war die reguläre Spielzeit des Konzerts abgelaufen ...

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Friedhelm Münter (NDR) singt für Deutschland: Stefan Gwildis animiert auch stimmlose Moderatoren zum Mitsingen

 

Rückblende, 14. Juni 2006, Fußball-Weltmeisterschaftsspiel Deutschland – Polen, 90. Minute: Eigentlich war noch nichts so richtig passiert. Es stand 0:0. Bisher gab es noch keinen Grund, aufzuspringen oder zu jubeln. Trotzdem: Das Spiel war sehr gut, wurde immer besser, die Chancen reichten sogar zum Gewinnen mehrerer Spiele. Nach dem doppelten Lattentreffer durch Klose und Ballack in der 90. Minute stand für mich fest. Das war das beste 0:0, das ich je gesehen hatte. Natürlich blieb es nicht beim 0:0. In der Nachspielzeit fiel eines der berühmtesten Tore der deutschen Länderspielgeschichte .. und das Spiel der deutschen Mannschaft und die Contenance der Fans verlor mit dem Schlusspfiff die Ordnung.

 

21. Januar 2007, Rolf-Liebermann-Studio, Ende des regulären Sets. Eigentlich war noch nichts so richtig passiert. Elf Titel des neuen Gwildis-Albums waren vorgestellt, aber es stand noch 0:0. Das Publikum klatschte Beifall, teilweise frenetisch, aber saß noch angewurzelt auf den Stühlen. Das Liebermann-Studio, das mit den steil aufragenden Rängen wie das Westfalen-Stadion in Dortmund wirkte, loderte etwas, aber brannte noch nicht. Das war sicherlich das beste Konzert, das ich je gesehen hatte, bei dem das Publikum die ganze Zeit artig sitzen blieb. Natürlich blieb es nicht dabei: In der Nachspielzeit verlor das Spiel der Band und die Sitzdisziplin des Publikums völlig die strenge Ordnung.

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Das Spiel verliert die strenge Ordnung: Stefan Gwildis im Tiefflug über die Bühne

 

Die Zugaben begannen mit den Klassikern „Sie ist so süß“ und „Mama mag ihn“. Das Publikum stand, Stefan Gwildis stand nun auf den Interviewkisten. Als er die Zuschauer zum Mitsingen animierte, erwiesen sich gerade gestandene NDR-Moderatoren als Schwachpunkte: Friedhelm Münters Version vom „uuhuuhuuh“ klang eher so, als ob sich Oliver Kahn über beleidigende Äußerungen von den Zuschauerrängen beschweren müsse. Zu „Mama mag ihn“ erschien Michy Reincke auf der Bühne. Stefan Gwildis forderte das Publikum zum weiteren Stilbruch auf (“reißt Euch die Klamotten herunter“), die beiden Sänger fegten dann wie durchgeknallte Computerfiguren über die Bühne.

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Stefan Gwildis und Michy Reincke: Durchgeknallte Compuerfiguren in der Schlussoffensive

 

Die Schlussmoderation insbesondere von Jacqueline Heemann geriet dann auch etwas aus den Fugen: Die gerade aufgezeichnete Sonntakte-Sendung war ja am Sonntag aufgezeichnet worden und wurde am kommenden Freitag gesendet, während die kommende Hamburg-Sounds-Sendung – mit Beteiligung von Stefan Gwildis – an einem Montag aufgezeichnet und an einem Freitag gesendet – nein, an einem Freitag aufgezeichnet, und einem Sonntag gesendet? Wie denn nun? Auch die Moderatorin stand unter dem Eindruck des Konzerts und der langsam ausgelassenen Stimmung. Nach mehreren Schnitten und Neueinstiegen hatte sie dann den richtigen Ablauf noch zugeflüstert bekommen.

 

Die zweite Zugabe beruhigte dann wieder die Gemüter: Die Ballade „Warum liebst Du mich nicht“ war ein schöner Ausklang eines mit 105 Minuten eigentlich sehr kurzen Gwildis-Konzertes. Background-Chor und Keyboarder konnten in diesem Titel noch einmal glänzen.

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Stefan Gwildis auf der Erfindung des Abends: Die NDR-Interviewkiste

 

Das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Polen während der Fußball-WM war die Initialzündung zum märchenhaften Aufstieg der Nationalmannschaft bis auf Platz drei der Weltmeisterschaft. Das Konzert im Liebermann-Studio war dann auch eine Art Initialzündung: Eine Woche später lag das Album „Heut ist der Tag“ sensationellerweise hinter Nelly Furtado auf Platz zwei der deutschen Albumcharts. Wobei etwa 400 Käufer des Albums schon wußten: Live hört sich das (außerordentlich gelungene) Album noch einmal ein ganzes Stück besser an. Freuen wir uns auf die Deutschland-Tour von März bis Juli 2007 und auf den Abschluss am 07.07.07 im Hamburger Stadtpark.

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Manni Otto: www.otto-photo.de

Einige weitere Reviews über Stefan Gwildis:

Konzertbericht Musikhalle Hamburg, Januar 2006

Konzertbericht Stadtpark Hamburg, August 2005

Konzertbericht Musikhalle Hamburg, Januar 2005

DVD-Review “Nur wegen Dir” live im Hamburger Stadtpark

 

Postscriptum:

Von Angelika aus Hürup bekamen wir noch einen Tipp: Natürlich war das beschriebene Konzert im Liebermann-Studio nicht die Live-Premiere von “Heut ist der Tag”. Die Generalprobe zur Radioaufzeichnung fand bereits am 6. Januar 2007 auf dem Charlottenhof in Klanxbüll statt - ebenfalls in der Liebermann-Besetzung. Und dazu noch: In Kleinst-Besetzung (mit zwei Gitarren und Cello) wurden Titel von “Heut ist der Tag” auch bereits im Neujahrskonzert 2007 in der Hamburger Musikhalle (Laeiszhalle) präsentiert - und dort konnte sich auch schon der Open-Hands-Chor warmsingen ...

 

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