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 Keane

Keane

15.11.2006 // Tempodrom, Berlin

 

Auszeit von der Realität

 

Nein, das wirkliche Leben ist nicht so. Denn: * Tom Chaplin ist wegen übermäßigen Drogenkonsums in der Klinik. * Das Konzert von Keane ist nichts desto trotz seit Wochen ausverkauft - ohne Chance noch an ein Ticket heran zu kommen. * Nach einem überaus beeindruckenden Debüt kommt bei den Kritikern und Fans das zweite Album nie gut an. * Man findet keinen Parkplatz direkt am Tempodrom kaum eine Stunde vor Konzertbeginn. * Man steht dann beim Konzert nicht direkt in der ersten Reihe. * Gitarren gehören einfach auf ein gutes Rockkonzert ...

 

Doch bei Keane ist alles anders. Genau heute, genau hier. Da ist der Erfolg. Da sind die 16-30jährigen Girlies die über 30,- Euro für ein Ticket hinlegen. Da wird jede Geste gefeiert und jedes Wort lautstark mitgesungen. Da läuft die Kamera mit. Da sind die Lichteffekte, die Show, die Stimmung, die Euphorie des Momentes. Da passt einfach alles zusammen.

 

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put it behind you & rock this town

 

Typischer Weise zerbricht eine Band, wenn der Gitarrist aussteigt. Keane haben trotzdem weiter gemacht, daraufhin erst Erfolge gefeiert und verzichten mittlerweile gerne. Ein interessantes Trademark, da es von der klassischen minimalen Bandbesetzung (mit Gesang, Gitarre, Drums, Key/Bass) markant abweicht. Aber ein moderner Synthesizer hätte solche Klänge notfalls standardmäßig mit dabei. Jedoch macht diese Band weitaus mehr aus, als dieser Gitarristennotstand. Da ist zum einen die klare mit unter etwas traurig klingende Stimme von Tom Chaplin und zum anderen sind es die minimalistischen Texte mit dem eingängigen Melodienteppich. All das und viel mehr führte dazu, dass kein einziger Füller auf dem Debütalbum "hopes and fears" zu erlauschen war. Ein seltenes Glück, welches selbst Großmeistern mit jahrelanger Erfahrung so gut wie nie gelingt.

Nun also das neue Album "under the iron sea". Mit nunmehr experimentierfreudigerer Musik und schnelleren Nummern, aber weiterhin anschmiegsamen Melodien zum Träumen, die auch diese CD (wenn auch nicht gleich beim ersten Verzehr) längerfristig in die Heavy Rotation des CD-Spielers beordern. Da muss man doch einfach mal sehen, wie sich Keane live anhört.

 

Tom Chaplin Nach der amerikanischen Vorband, die aufgrund ihrer mitgebrachten fünf oder mehr Gitarren das Verhältnis für den Abend mehr als ausglich, gab es eine endlos erscheinende Umbaupause, bevor es 20:56 Uhr endlich los ging. Nach einen Keyboard-Intro, welches das put-it-behind-you-outro hätte sein können, ging es mit Volldampf los. TC sprang unter starkem Applaus auf die Bühne und begann die Show wirklich mit put it behind you. Wie ein Wilder wütete er umher, so dass man sicher sein konnte, dass die Show ernst genommen wird und auch den Musikern wichtig ist. Wovon er so aufgedreht war weiß wohl nur er selber; und das ist gut so.

Die versammelte Presse tippelte vor die Bühne, schoss ihre 100.000 Fotos und dann verließen die ca. 15 Damen und Herren wieder im Tippelschritt das Blickfeld, so dass man erneut voll mitgehen konnte.

 

Nach ein paar weiteren Gesten für die Kamera ... äh ... natürlich nur für das Publikum folgte der Hit everybody's changing gefolgt von dem ruhigeren leaving so soon? Den ersten, gefühlsmäßig überwältigenden Moment bracht der Song we might as well be strangers, bei dem schon alle gut mitsangen. Das war aber noch gar nichts im Vergleich zum gleich anschließenden nothing in my way, dem auch die Lichtshow in nichts nachstand. Bei diesem Song ging TC auch auf Tuchfühlung mit den Fans in der ersten Reihe und gesteigert dadurch wurde der Refrain immer & immer wieder gern mitgesungen; und zwar von Mal zu Mal lauter. Was für eine Euphorie des Momentes.

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Nach einer kurzen, verdienten Pause folgte nach diesem reißerischen Auftakt so etwas wie der Balladenblock. Die Keyboards und das Piano wurden zentral in die Bühne gestellt, damit bend & break noch besser wirkte. Der nach TCs Meinung wertvollste Song des Albums, da er ihm am meisten bedeutet, ist zufällig die aktuelle Single ... und wieder stimmten alle lautstark ein, dieses Mal zu try again. Das projizierte Kamerabild bzw. die Kameraführung unterstrich die Wirkung des Songs dabei sogar noch. Obwohl unterdessen die extra vor dem Konzert ausgeteilten Feuerzeuge nur sporadisch angezündet wurden, brannte das Seelenfeuer umso länger nach.

Nun nahmen alle drei ihre Plätze um die Keyboardburg ein und - man wollte seinen Augen nicht trauen - TC schnallte sich eine Gitarre um! Keane & Gitarre - also dieses geht nun wirklich nicht!! Auch er wusste um diesen unnötigen Anblick, erklärte die 'f**ing guitar' aber zum einen mit der Passfähigkeit zum nachfolgenden Song und zum anderen sei es ja bloß eine akustische Gitarre; so what. Nunmehr gab es die akustische Version von your eyes open, welche bei weitem nicht so schlecht war, wie man beim ersten Anblick der Gitarre hätte vermuten können. Dem entsprechend war der Applaus nicht weniger kräftig, als auch dieser Song erneut durchlebt war.

Dann verschwand die Gitarre aber auch gleich wieder und TC versuchte die alte Feindschaft Hamburg vs. Berlin wieder hochzukochen. Aber bei lediglich zwei Konzerten in Deutschland waren wohl nicht genug grollende Berliner zugegen, um sich für so etwas entflammen zu lassen. Es folgte also der Hamburg song. (She has no time hätte mir an dieser Stelle aber weitaus besser gefallen.)

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Keane

 

Der nächste Songblock stand an und es gab eine wunderbare Version von can't stop now. Ein Song, der wieder einmal das komplette Publikum mitriss, welches sogleich begeistert und gern mitsang. Der ernsthafteste Song auf dem neuen Album ist bekanntlich a bad dream, welcher durch eine Gedichtrezitation von Band mit symbolträchtigen Bildern auf den Leinwänden eingeleitet wurde und dadurch noch düsterer wirkte. Es war bedrückt leise während dieser Nummer und alle schienen in persönliche schlechte Erfahrungen abdriften zu können. Um anschließend die Stimmung wieder etwas zu heben sah die Setlist the last time vor, bei dem es auch gut abging.

 

Zum Finale gab es eine letzte Nummer am Piano, gefolgt von den jeweiligen größten Single-Hits des entsprechenden Albums: somewhere only we know und is it any wonder? Unter tosendem Applaus konnten sich die drei dann von der Bühne verabschieden. - Da aber noch mindestens der Kristallkugelsong fehlte; rannte der Roadie wohl nicht umsonst über die Bühne, um noch letzte Veränderungen am Sound vorzunehmen ...

 

22:27 Uhr gab es also ganz überraschend noch drei Zugaben. Selbstverständlich war auch crystal ball mit dabei und man konnte sich nach einem rundum gelungenen Auftritt beglückt nach Hause begeben. Alle die keen on Keane waren wurden von diesem Abend nicht enttäuscht. Es gab diese beeindruckende Show, die neben den wunderbaren Melodien auch optisch sehr viel zu bieten hatte.

 

Fazit: Frei nach dem Titel des Opener merkte man der Band (v.a. TC) keine Belastung von außen an; beeindruckend. Ich war von der allgemeinen Textsicherheit der zu ca. 80% weiblichen Fans richtig überrascht, die wirklich jeden Song lauthals mitsingen konnten. Die Akustik war bestens und auch das optische Zusammenspiel der Lichttechnik und der Leinwände war einzigartig. Eine tolle Hallenshow, die sogar das Gefühl von Clubatmosphäre aufkommen ließ. Witziger Weise wechselten sich alte und neue Songs permanent ab. Die Show war auch überraschend lang, denn lediglich 2 Songs ließen die Jungs von jedem Album aus. Viel mehr wäre also auch gar nicht möglich gewesen. - Da war es ja beinahe einfältig im Vorfeld gezittert zu haben, ob das Konzert überhaupt stattfindet ...

 

Anmerkung: Es ist schon nicht leicht bei diesem ganzen Starrummel einen freien Kopf zu behalten. Die Show war ein voller Erfolg und jeder der Anwesenden freut sich schon auf die nächsten Großtaten des Dreiergespanns in Form eines neuen Albums. Was den Gesundheitszustand von TC an diesem Abend anbelangte sah er fit aus, aber das muss ja nichts heißen. Ist jetzt einer der wenigen Fälle, wo die Fans in der Zwickmühle sitzen. So sie weiterhin ihre erklärten Lieblinge so stark durch die CD-Käufe unterstützen, bleibt Keane der Startrubel nicht erspart und das klischeebehaftete Kompensierungsmittel Drogen augenscheinlich immer ein sehr guter Ausweg. Aber dass das Unterlassen von CD-Erwerbungen nicht auf der anderen Seite noch schlimmere Exzesse durch Depressionen aufgrund des unerwarteten Absturzes aus dem Hit-Olymp nach sich zieht ist ebenso möglich. - Oh simple thing, where have you gone?

 

 

Besetzung

 

Tom Chaplin: vocals, piano, acoustic guitar

Tim Rice-Oxley: piano, keyboards, backing vocals

Richard Hughes: drums, percussions, backing vocals

 

 

 

Setlist

(* = vom aktuellen Album)

 

00. intro

01. put it behind you*

02. everybody's changing

03. leaving so soon?*

04. we might as well be strangers

05. nothing in my way*

06. bend and break

07. try again*

08. your eyes open (acc.)

09. Hamburg song*

10. can't stop now

11. a) poem (from tape)

b) a bad dream*

12. this is the last time

13. broken toy*

14. somewhere only we know

15. is it any wonder?*

 

#Zugabe#

16. atlantic*

17. crystal ball*

18. bedshaped

 

l.j. (lars@lonereviewer.de)

Der Artikel ist auch erschienen bei www.el-jay.de.

 

 

 

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