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 Stefan Gwildis (Rostock, 2005)

 

Stefan Gwildis und Band, Stadthalle Rostock, 9. April 2005

 

Das war so doch nicht geplant: Das Frühlingsfest der Soulmusik

 

Um 23:05 Uhr bekam an dem betreffenden Sonnabend das Rostocker Publikum Konditionsschwächen. Zwar versuchten noch einige Unentwegte, Stefan Gwildis mit fünfköpfiger Band noch zur vierten Zugabe herauszuklatschen, aber einige schienen auch Mitleid mit den durchgeschwitzten Musikern zu haben und wollten selbst aus dem Saal 2 der Stadthalle Rostock mal heraus – der kühle Saal 2, eigentlich besser für Tagungen und große Empfänge geeignet, hatte sich zum Soul-Club entwickelt, oder zur großen Gemeinschaftssauna ..

 

Dabei fehlten zu diesem Zeitpunkt noch ein paar Songs, auf die die Gwildis-Kenner eigentlich noch dringend gewartet hatten: „Mama mag ihn“ wurde gefordert, „Wajakla“ ebenso, während der Zugaben wurde der Dialog zwischen Stefan Gwildis und dem Publikum zum Titel-Wünschen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Hamburger Soul-Sänger zweieinhalb Stunden ununterbrochen auf der Bühne stand .. und trotzdem so viele tolle Songs aus der Setlist hatte weglassen müssen.

 

Ein Gwildis-Konzert ohne „Mama mag ihn“, so war das ja eigentlich nicht geplant. Trotzdem: gut gelaunt, der guten Musik und der vielen ungeplanten Zwischenfälle wegen, gingen über 500 Rostocker nach Hause.

 

Das Vorher.

 

So einiges war im Vorfeld nicht so gelaufen wie geplant. Nachdem wir bereits drei Konzerte von Stefan Gwildis in der Hamburger Musikhalle und im Hamburger Stadtpark besuchen konnten, wurde Ende 2004 endlich eine Tour angekündigt und einer der Gigs ging bis vor unsere Haustür in die Rostocker Stadthalle. Nach Abgleich mit den Tourplänen der Boxhorns (des dreiköpfigen Gwildis-Gebläses) und von Regy Clasen (normalerweise im Background) war schon klar, dass Stefan Gwildis in Rostock nur mit kleiner Tourbesetzung auftreten würde: Gebläse, Backgroundchor, Percussion und Cello waren nur in den großen Städten Hamburg, Berlin und Bremen dabei.

 

Noch etwas Ungeplantes regte die Rostocker Gwildis-Fangemeinde immens auf: Am selben Abend parallel zum Gwildis-Konzert war ein Solo-Konzert von Michy Reincke in der Rostocker Pumpe geplant. Sowas dummes, die beiden Schulfreunde und Koautoren der Texte der meisten deutschen Soul-Klassiker nicht miteinander auf der Bühne sondern gegeneinander? Nach vielen verzweifelten E-Mails an die beiden Hauptakteure und ihr jeweiliges Management und ersten Antworten wie „da ist leider nichts mehr zu machen“ dann endlich die Entwarnung: Michy Reincke verschob das Solo-Konzert um genau 14 Tage (Anmerkung der Redaktion vom 24.4.: Er hatte Erfolg damit: Sein Solo-Konzert am 23.4. in der Pumpe war restlos ausverkauft).

 

Bei Vorverkaufsbeginn war dann schließlich ausgerechnet das Rostocker Konzert im Internet noch nicht im Angebot. Nach einer Anfrage bei 105music ging es dann aber sehr schnell, die platzgenaue Buchung offerierte uns den gesamten Saal 2 der Stadthalle Rostock noch fast jungfräulich (nur die sechs mittleren Plätze der ersten Reihe waren vor Vorverkaufsbeginn zurückgehalten worden). Da die ersten beiden Reihen wegen der schon legendären „Ich-muss-das-jetzt-mal-einzeln-abfragen“-Versuche des Sängers extrem gefährlich sind, reservierten wir schließlich mit einigen Freunden die Mitte der Reihe 3. Gute Sicht, und trotzdem in Deckung.

 

Der Vorverkauf ging zunächst schleppend los, lange Zeit waren nur die ersten Reihen verkauft worden. Das neue Album im Februar, der Grand Prix im März und ein Interview in einer Lokalzeitung brachten dann aber jeweils einige Verkaufsschübe. Am 9. April schließlich war die Stadthalle bis in die letzten Reihen sehr gut gefüllt.

 

Der Einheizer: Michy Reincke.

 

Das Vorprogramm von 20 Uhr bis 20:30 Uhr wurde von Michy Reincke „nackt“ bestritten: Michy Reincke also mit seinem Ein-Mann-Programm (mit Gitarre und Mundharmonika). Lieder wie Valerie, Alaska, So schön kann keine Frau sein (das Reincke-Clasen-Duett an diesem Abend leider nur als Michy-Solo), Mach Dein Herz laut und Taxi nach Paris brachten gleich eine gute Stimmung in den Saal, und bei den letztgenannten Liedern konnte Michy Reincke das Publikum sogar als Backgroundchor nutzen. Bei „Taxi nach Paris“ konnte er dann auch gleich Werbung für sein in 14 Tagen folgendes Solo-Konzert machen. Mit dem „Taxi in die Pumpe“ sollten die Rostocker dann fahren (und er hatte, wie oben erwähnt, vollen Erfolg mit der Werbung: restlos ausverkauft).

 

Die Begrüßung: Liebe Rostocker, liebe Bad Doberaner.

 

Um 20:35 Uhr betrat dann Stefan Gwildis allein mit Gitarre die Bühne. Er begrüßte alle Zuschauer im Saal 2 der Stadthalle, bedankte sich dafür, dass wir weder das sonnige Wetter zu Hause für das Saison-Angrillen ausnutzten noch das Frühlingsfest der Volksmusik im Fernsehen sehen wollten. Schallendes Gelächter des Publikums insbesondere bezüglich der zweiten Alternative. Und schließlich begrüßte er die Rostocker, die Warnemünder, dann sogar uns Bad Doberaner (dabei jubelte naturgemäß der mittlere Teil der Reihe 3). Neben uns machten sich später die Güstrower noch lautstark bemerkbar, während die Mini-Fraktion aus Graal-Müritz still blieb (Stefan Gwildis: „Allein würd ich mich auch nicht melden.“). Nach dieser sehr persönlichen uns teilweise improvisierten Begrüßung stand das Publikum bereits wie ein Mann hinter dem Star auf der Bühne: So einfach geht das, das Publikum mit einzubeziehen, wenn man sein Handwerk versteht.

 

Die Band: Die kleine Tourbesetzung.

 

Schon Wochen vor dem Konzert hatte ich mich bereits auf die Bandvorstellung durch Stefan Gwildis während eines der Lieder gefreut: Bisher hatte Stefan noch immer ein Bandmitglied vergessen, und ich rätselte bereits, wer dieses Mal das Opfer sein würde. Tja, das war so dann nicht geplant, als Stefan Gwildis vor dem ersten Lied die Taktik wechselte und die Musiker schrittweise zum Start des Songs auf die Bühne lotste. Bandvorstellung einmal anders. Und da ein nicht vorgestellter Musiker eben noch nicht auf der Bühne war, war es für den Sänger ein Leichtes, den Überblick zu behalten. Alle fünf wurden vorgestellt, und zu sechst begann dann das erste Lied. Stefan Gwildis war an diesem Abend mit folgender Besetzung in Rostock:

 

Mirko Michalzik: Gitarre, Chor (einmal auch Keyboards)

Martin Langer: Schlagzeug, Chor (einmal auch Lead-Gesang)

Achim Rafain: Bass

Ralf Schwarz: Keyboards, Chor (einmal auch Gitarre)

Matze Kloppe: Keyboards, Chor

 

Und natürlich

 

Stefan Gwildis: Lead-Gesang, Gitarre (einmal auch Schlagzeug).

 

Der Set: 150 Minuten ohne Pause.

 

Nach der Hälfte des Sets fragte Stefan Gwildis das Publikum, ob sie denn mal eine Pause bräuchten. Ein lautstarkes „Nein“ kam aus den Reihen. „Ich hab Euch gewarnt“, meinte Stefan, und machte weiter. Das Catering in der Stadthalle war sicher entsetzt ob des fehlenden Pausenumsatzes. Aber musikalisch blieb der Spannungsbogen gewahrt. Aus dem Gedächtnis heraus waren mindestens folgende Lieder in etwa der folgenden Reihenfolge im Set:

 

Allem Anschein nach bist Du’s

Nur wegen Dir

Das kann doch nicht Dein Ernst sein

Wunderschönes Grau

Sie lässt mich nicht mehr los

Wem bringt das was

Nur in meinen Gedanken

Mond über Hamburg (mit Gwildis-Vocal-Intro für jedes Instrument)

Lass mal ruhig den Hut auf

Papa will da nicht mehr wohn (mit Gitarren-Solo)

Wir haben doch jeden Berg geschafft

Schön, schön, schön (mit Bass-Solo)

Bleib so wie Du bist (mit Schlagzeug-Solo und neuer Strophe)

 

Erste Zugabe:

Immer weiter

Sie ist so süß wenn sie da liegt und schläft

 

Zweite Zugabe:

Warum komm ich nur so selten dazu

Alis Bude (mit Doppelwechsel der Musiker)

 

Dritte Zugabe:

Du bist so wundervoll

 

Zweimal kam die schon von der Musikhalle in Hamburg (siehe Konzertbericht vom Januar 2005) bekannte Einlage „Früher war alles besser“. Und einmal gab es dann auch ein „Happy Birthday“ mit dem ganzen Rostocker Publikum als Background-Chor: Jürgen Feuerlein, das Mädchen für Alles als Helfer im Hintergrund, hatte Geburtstag und bekam sein Ständchen, als er gerade wieder mal auf die Bühne kam, um ein Instrument zu bringen. Während der Zugaben wurden verschiedenste weitere Wünsche noch aus dem Publikum geäußert. Erstaunlich oft fiel „Holger“, der Hauptdarsteller der Drückerkolonne in „Mama mag ihn“. Auf Holger müssen die Rostocker allerdings noch länger warten, er kam an diesem Abend nicht mehr.

 

Neben den ausführlichen, oben bereits erwähnten Soli von Gitarre, Bass und Schlagzeug hatten auch die beiden Keyboarder noch mehrfach Gelegenheit, sich mit Instrumentalteilen auszuzeichnen. Ein Vorteil der kleinen Besetzung ist sicherlich, dass diese fünf besser in den Mittelpunkt gerückt werden können. Bei jedem der Soli bewaffnete sich der Rest der Band mit Handscheinwerfern und leuchtete von Monitorboxen, Podesten oder sogar aus dem Zuschauerraum den gerade aktiven Solisten an. Eine witzige Idee, die ich vorher so noch nicht gesehen hatte.

 

Das war so doch nicht geplant.

 

Zwei ungeplante Zwischenfälle werden das Konzert bei jedem Besucher auch ins Gedächtnis eingebrannt haben. Zunächst einmal wäre Stefan Gwildis fast wegen Verletzung ausgewechselt worden. Nach einem der Mitsingsteile, bei dem er das Publikum in der ersten Reihe dann mit dem Mikrofon „einzeln abfragte“, wollte er sportlich auf die Bühne zurückspringen. Leider rutschte er aber mit dem Fuß von der Bühnenkante und landete schließlich mit dem Unterleib unsanft auf dieser. Schrecksekunde im Publikum. Aber Stefan Gwildis rappelte sich wieder hoch und rollte sich dann seitwärts im Zeitlupen-Straddle-Stil auf die Bühne.

 

Ein zweiter Zwischenfall führte letztendlich zu Standing Ovations des Publikums für den Spontantexter Stefan Gwildis. Als beim letzten Lied des regulären Sets, „Bleib so wie Du bist“, eine der Monitorboxen vor Matze Kloppe ausfiel, sprang Jürgen Feuerlein auf die Bühne und versuchte, den Fehler in kurzer Zeit zu beheben. Stefan Gwildis sah das und änderte sofort den Texte einer Strophe zwischen den Refrains in ein Loblied auf Jürgen Feuerstein ab, der die Monitorbox reparieren müsse, weil diese sicher durchgebrannt sei. Solche Improvisationen gibt es sonst nur noch ganz selten, gerade in den Konzerten der Top-Seller, die alle bis in die letzte Silbe vorgeplant sind.

 

Der Wechsel zwischen Martin Langer am Schlagzeug und Stefan Gwildis am Mikrofon während „Ali’s Bude“ gehört ja bereits zum Standard, der zusätzliche Wechsel zwischen Mirko Michalzik an der Gitarre und Ralf Schwarz an den Keyboards im gleichen Lied war aber überraschend für das Publikum, und zumindest dem Anschein nach auch für Stefan Gwildis.

 

Im Publikum: Stimmung und Lina.

 

Da das Konzert in Rostock stattfand, konnte man ahnen, dass Stefans Süße (Lina), der er immer das Lied „Warum komm ich nur so selten dazu“ widmet, dieses Mal im Publikum war: Normalerweise muss sie ja immer auf Fiete (den Nachwuchs des Soul-Stars) aufpassen, insbesondere wenn er Koliken hat. Da sie aus Rostock-Lichtenhagen stammt, war sie aber an diesem Abend im Publikum. Sie sollte erfreut festgestellt haben, dass das Publikum es am Ende des Konzertes und alle Zugaben lang nicht mehr auf den Sitzen hielt – und auch nicht mehr in den Sitzreihen. Der Raum zwischen erster Reihe und Bühne wurde zur Tanzfläche, wenn auch der Center-Bereich vor Stefan Gwildis aus Fairness-Gründen gegenüber den hinteren Reihen ausgespart wurde.

 

Nach zweieinhalb Stunden hatte dann auch der Saal 2 der Rostocker Stadthalle einen neuen Spitznamen. Also Stefan, wir treffen uns dann wieder in 2006 zum nächsten Frühlingsfest der Soulmusik in Reihe 3 der Sauna 2, Stadthalle Rostock.

 

Andreas (andreas@lonereviewer.de)

 

 

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