Home
BuiltByNOF
 Gotthard

Gotthard

Lipservice – Tour 2005 // 22.11.2005 // Postbahnhof, Berlin

 

            just like a hole in one

    gotthard1 

Um die fünfhundert Leute hatten sich in der kleinen Halle des Postbahnhofs zusammengefunden, um die neueste Platte von Gotthard live zu erleben. Immerhin war es schon über zwei Jahre her, dass die fünf Eidgenossen mit 'human zoo' tourten. Bevor aber Steve Lee und seine Mannen die Bühne betraten, war das norwegische Quartett Wig Wam als Opener gebucht. Beim Plakat am Eingang konnte man einen ersten Blick auf die Jungs werfen, von denen ich vorher noch nichts gehört hatte und auch nicht wusste, dass es heute eine Vorband geben sollte. (Laut dem Geburtstagssongüberraschungsflyer vertraten sie ihr Heimatland Norwegen beim diesjährigen Eurovision Song Contest.) Kurz nach acht feuerte "Glam" seine Konfettikanone ab und die Show ging los. Das war aber schon der zweite Schock. Den ersten gab es aufgrund ihrer Kostüme; so zumindest deutete ich die ungläubigen Gesichter der Umstehenden. Durch "the Ark" war ich ja schon ein gebranntes Kind, aber was sich hier den mitgewachsenen Gotthard-Fans als Anblick darbot, war nicht jedermanns/-fraus Sache. Wenn aktuelle Musik aus Skandinavien, dann Glamrock mit den entsprechend schrillen Outfits. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich gleichzeitig an die "Village People" und die Wrestlingcharaktere der frühen 90er Jahre erinnert wurde. Indianer, Cowboy und Soldat. Alle waren sie da. Nach ein paar Minuten konnte man sich endlich auch auf die Musik konzentrieren. Die war gut, überraschend gut sogar. Eingängige Grooves, die richtige Portion Gitarrenriffs und Hooklines reichten aus, um alle Leute in ihren Bann zu ziehen. Tolles Mic-Work ergänzte den Auftritt, an dem gar nichts auszusetzen war und von dem sich manch andere, schon lange etablierte, Künstler noch gern ne Scheibe abschneiden dürfen. Insgesamt zelebrierten sie 10 Songs, war für den Supporting Act ja relativ viel ist; vor allem wenn es Newcomer sind. Aber Wig Wam machten ihre Sache mehr als gut und spielten ihr gerade in Deutschland erschienenes Debütalbum hard to be a rock'n roller fast komplett. Vor allem die rockige Version von Mel C.'s I turn to you und eine multilinguale Version von Dschinghis Khans Dschinghis Khan konnten das Publikum begeistern. Die eigenen Stücke waren auch toll, vor allem das Instrumental erection, hard to be a rock'n roller und mine all mine.

Es steckt viel Potential in dieser Kombo, die mit etwas Glück und konstanter Arbeit auf diesem Niveau durchaus zum Headliner aufsteigen kann. (Die Look-Alike Mädchenfangruppe, die nach deren Auftritt ihren erkämpften Platz ganz vorne aufgab, wird bestimmt der gleichen Meinung sein. *g*) Sehr vielversprechend und ein wirklich gelungener Anheizer. Dass man die Bühne zu "God gave rock'n roll to you" verlassen hat passte schon ganz gut ... Nach diesen 45 Minuten wurde die Bühne umgebaut und ich freute mich auf den zweiten Abschnitt, wobei der Supporting Act meine Erwartungen schon mehr als übertroffen hatte.

 
 

gotthard2 

21:17 Uhr war es dann soweit und der mittlerweile total verqualmte Raum gab alles, als sich Gotthard gleich mit den beiden neuen Stücken all we are und dream on (welche dennoch schon lautstark mitgesungen wurden) frisch und gut gelaunt präsentierten. Auf deutsch gab es eine herzliche Begrüßung und dann ging es sogleich ohne Pause in die Vollen. Steve Lees Aussage, selbstverständlich nicht nur neue Stücke zu spielen, setzten sie sofort um und es gab die alte Deep Purple Nummer hush, bei dem dann gleich mal zu Fanmitgesängen aufgerufen wurde. Ist live dann immer noch n bisschen besser als vom de-frosted-Album. Leo Leoni benutzte beim nächsten Song den Stimmverzerrer, also konnte es jetzt nur eine geben: mountain mama. Anschließend konnte man endlich mal etwas durchatmen, denn die erste Ballade stand an. Besonders diese ruhigen Lieder sind es ja, die Steve Lees Stimme zur vollen Entfaltung bringen können. (Und einige Fans immer wieder verärgern, denn eine Balladenband war Gotthard ja in ihren Anfängen nicht.) Let it be sah zusätzlich auch sehr interessant aus, denn Leo Leoni spielte währenddessen eine doppelläufige Gitarre.

Jetzt gab es aber erst einmal wieder schnellere Nummern, bei denen die beiden neuen Stücke auch sehr gut angekommen sind. Vor allem das kraftvolle I wonder sollte in zukünftigen Setlists immer wieder auftauchen. Steve Lees Stimme hat sich zwar im Laufe der Jahre verändert, aber noch immer ist sie unverkennbar, welches sich bei der akustischen Version von one life, one soul bemerkbar machen sollte. Einfach nur wow. Auch ein Kompliment an die Fans, die gut mitgesungen hatten. Sofort folgte die neue Ballade nothing left at all und diese verfehlte ihre Wirkung nicht. Selbst wenn man das Lied vorher nicht kannte, konnte man spätestens beim wieder einsetzenden Refrain mitsingen.

Nach dieser ruhigen Phase wurde jetzt wieder gerockt. Schon als Steve Lee die Mundharmonika in die Hand nahm gab es Applaus. Als er fragte, ob man diese noch kenne, gab es Extrajubel und er konnte sister moon anstimmen. Nach der schizophrenen Nummer the other side of me fragte Leoni, ob man denn bereit zum tanzen war. Mit herrlichen Gitarrensoli kam dann also firedance daher, welches auch lichttechnisch adäquat untermalt wurde. Danach kam Freddy Scherer zu ihm rüber und brachte Leoni ein Bier mit. Dann folgte etwas, was sich mir also Bier-Solo ins Gehirn brannte ... "man sagt, es habe magische Kräfte". Beide lieferten sich und uns ein tolles Duell, welches in fist in your face mündete. Witziger Weise stieg dann der Keyboarder auch mit einem Gitarrensoli mit ein (siehe großes Bild). Allerdings stellte sich alsbald heraus, dass es sich lediglich um eine Gummigitarre handelte ... die er aber perfekt beherrschte. Das Final war dann die alte Bob Dylan Nummer Mighty Quinn, die schön langgezogen wurde, da das Mikro in die Menge gehalten wurde und wir somit immer wieder den Refrain singen konnte. Diese Version hier ist selbstverständlich rockiger als die, die Manfred Mann's Earthband immer darbieten, aber beide haben ihren Charme. Die Pluspunkte bei MMEB sind Manfred Manns virtuoses Keyboardspiel und Noels sehr starke Stimme am Songende. Steves Stimme war nicht ganz so überzeugend, aber das ist ja auch nicht seine Tonlage. Völlig erschöpft riefen dann die Fans sofort ab 22:34 Uhr nach einer Zugabe.

gotthard3 

Gotthard ließ sich auch nicht lange bitten und nachdem sich Steve schon wieder umgezogen hatte und Leo sich die hundertste Gitarre umgeschnallt hatte, ging es "across the desert, through the plaines...". Bei heaven konnte der Keyboarder erneut glänzen. Dieses mal aber echt, denn er legte ein Keyboard-Outro hin, welches mich wirklich überzeugen konnte. Zum Ende der Show hin wurde noch mal einen Gang hoch geschaltet und mit lift u up sowie der aktuellen Single anytime, anywhere noch zwei neue Songs gespielt, die wiederum frenetisch bejubelt wurden. Kurz vor Zwölf verabschiedete man sich noch einmal herzlich vom Publikum. Aber diese wollten ihre Helden nicht so einfach gehen lassen und forderten eine weitere Zugabe ein. Gotthard liess sich nicht lumpen und machten sich für ein weiteres Stück bereit. Blieb nur die Frage, ob sie die neue Ballade and then goodbye spielen würden, den Klassiker I'm on my way oder lieber etwas schnelles. Schließlich sollten die Fans wohlgelaunt den Saal verlassen und nicht über das Ende der Show noch mehr ergriffen sein, wenn auch noch eine ruhige Nummer den Abschluss bildet. Also entschied man sich anscheinend spontan für das Led Zeppelin Cover vom immigrant song. Auch hier wirkten sie super eingespielt, so dass es doch nur scheinbar spontan war. Dieses bestätigte auch ein Blick auf die Setlist. Nichts desto trotz ein toller Abschluss (23:07 Uhr).

gotthard4 

FAZIT: Was bleibt als Eindruck? Nun, zum einen, dass Gotthard live wirklich so gut sind, wie ich es die ganzen Jahre gedacht hatte. Zum anderen gelang ihnen nach G endlich wieder ein Geniestreich. Ein Album ohne Filler und jede Nummer ein Gewinn. Von wohlwollenden Kritikern wird das Album ja gern als back-to-the-roots-Platte bezeichnet, die rockiger/dreckiger daherkommt und glücklicher Weise nicht so mainstreamig wie z.B. human zoo ist. Wunderschöne Ballade wechseln sich mit guten Rocknummern ab. Das gab es ja zuletzt anno 1996 (mit eben diesen G-Album). Neun der neuen 14 Lieder wurden vorgestellt und überzeugten alle. Die Band war in Spiellaune und wirkte sichtlich erleichtert ob der treuen Fans, die an diesem Abend extra zu ihnen gepilgert waren. Mir gefallen vor allem die gefühlsechten Balladen sehr gut, so dass sie von mir aus auch gern das ganze d-frosted-Album hätten spielen können. Balladen wie angel, father is that enough, I'm on my way oder out on my own sind live einfach umwerfend. Aber dann wäre das Konzert u.U. zu langsam geworden. Somit kann man sich schon auf den hoffentlich bald anstehenden nächsten Besuch der Schweizer in Berlin freuen und vielleicht ist da die ein oder andere Ballade wieder mit dabei.

(verfasst von Lars (lars@lonereviewer.de)); Fotos von Lars

CD-Tipps:       de-frosted (1997) lipservice (2005) G (1996)

Gotthard:
Steve Lee (voc)
Leo Leoni (git)
Marc Lynn (bass)
Hena Habegger (drums)
Fredy Scherer (git)

 

Songs der Show:
(*='Lipservice'-Album)

    1.all we are*

    2.dream on*

    3.hush

    4.mountain mama

    5.let it be

    6.top of the world

    7.I wonder*

    8.said and done*

    9.one life, one soul

    10.nothing left at all*

    11.sister moon

    12.the other side of me*

    13.firedance

    14.fist in your face

    15.stay for the night*

    16.Mighty Quinn
     

    1.Zugabe

    17.in the name

    18.heaven

    19.lift u up*

    20.anytime anywhere*
     

    2.Zugabe

21.immigrant song

 

 

 

[Home] [Impressum] [Über uns] [Aktuelles] [Update-Archiv] [Konzerte] [CDs/LPs] [DVDs] [Quickies] [Top-Listen] [Audio-Tipps] [Kolumne] [Galerie] [Links]