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 Corrs: All the way home

The Corrs – All the way home (Doppel-DVD)

 

Live über jede Kritik erhaben – Die Corrs überzeugen auch auf ihrer fünften Konzert-DVD

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Armer Stefan Krulle! Stefan Krulle ist ein sehr anerkannter Musikkritiker, der unter anderem für die Welt schreibt und der auch in Lone-Reviewer-Kreisen außerordentlich geschätzte Artikel über die Hamburger Musikszene und die Musikradio-Landschaft verfasst hat. Aber Stefan Krulle hat schon seit Jahren ein Problem mit der irischen Band „The Corrs“. Sobald er ein Studioalbum dieser Band in den Fingern hat, vergisst er sich, lässt Hasstiraden los und versteigt sich in subjektive Verrisse ohne jeglichen Bezug zur zu hörenden Musik. Als im Sommer 2005 das von der Lone-Reviewer-Redaktion sehr geschätzte und mehrfach in unsere Top-10-Alben des Jahres eingeordnete Back-to-the-Roots-Album „Home“ von den Corrs auf den Markt kam, endete seine Hasstirade mit der Hoffnung, dass das nun hoffentlich der letzte Akt des Dramas sei und er nun hoffentlich nie wieder etwas von den Corrs hören müsse.

 

Armer Stefan Krulle! Nur zwei Monate nach dem Studio-Album „Home“ geht das Drama in den nächsten Akt und die Doppel-DVD „All the way home“ der Corrs erscheint. Und vor dieser DVD hatten selbst die harten Corrs-Fans etwas Angst. Nicht etwa, weil sie der fast zweistündigen Dokumentation auf DVD 1 misstraut hätten. Nein, aber das Live-Konzert für DVD 2 war in einem der unglücklichsten Momente aufgenommen worden, den es 2004 auf der Welttour zum Album „Borrowed Heaven“ gegeben hatte. Am Anfang der Tour hatte man in Bonn beim genialen Open-Air-Auftakt-Konzert verpasst (hier beim Lone Reviewer als eines der ganz wenigen legendär zu nennenden Konzerte beschrieben), dieses für die Ewigkeit auf Video zu konservieren. Und Caroline Corr, die in Bonn im sechsten Monat mit Babybauch noch Percussion spielte, war nur noch auf wenigen weiteren Konzerten der Tour dabei. Zum Glück konnte sie dann auf den „letzten Drücker“ zu den letzten drei Konzerten der Tour wieder zur Band stoßen – und eines dieser Konzerte musste dann auch aufgezeichnet werden – das nicht ganz ausverkaufte Konzert in Genf.

 

Die Band um Caroline noch nicht wieder eingespielt, Caroline nur sechs Wochen nach der Geburt auch körperlich noch nicht wieder ganz fit, Andrea’s Stimme durch die fünfmonatige Tour etwas angeschlagen, beim Filmteam pünktlich zum zu filmenden Konzert die so wichtige Krankamera ausgefallen, der große Teil des Schweizer Publikums etwas kühl .. was sollte das nur werden?

 

Dass auch diese Konzert-DVD nicht nur wieder ausgezeichnet geworden ist, sondern vielleicht auch in Zukunft zu den Top 3 der verfügbaren Corrs-Medien zählen wird, liegt an der unglaublichen Gabe der vier Iren, live schon immer weitaus druckvoller und stimmungsvoller musizieren zu können als im Studio. Wer insbesondere mit dem Studioalbum Borrowed Heaven nicht so ganz zufrieden ist (wir auch nicht mit der Produktion, wie hier zu lesen ist), kann auf All the way home sechs Titel des Albums live in einer viel besseren und organischeren Version hören – und sehen.

 

Die Tracklist der Konzert-DVD ist:

 

    1.Humdrum

    2.Only when I sleep

    3.Dreams

    4.What can I do

    5.Forgiven, not forgotten

    6.Angel

    7.Runaway

    8.Return from Fingal / Trout in the bath (= Joy of life)

    9.Borrowed heaven

    10.No frontiers

    11.Queen of Hollywood

    12.Long night

    13.Old town

    14.Radio

    15.Summer sunshine

    16.So young

    17.I never loved you anyway

    18.Goodbye

    19.Breathless

    20.Toss the feathers

 

Die Band spielte im November 2004 in Genf in folgender Besetzung:

 

  • Andrea Corr: Lead vocals, Tin whistle
  • Sharon Corr: Violin, Vocals
  • Caroline Corr: Percussion, Bodhran, Vocals, Keyboards
  • Jim Corr: Guitar, Keyboards
  • Jason Duffy: Drums
  • Keith Duffy: Bass
  • Anthony Drennan: Lead guitar
  • Kieran Kiely: Keyboards, Accordion

 

Die Band, die seit den Anfängen der 90er Jahre immer stabil geblieben ist in ihrer Besetzung (bis auf eine kurze Phase, in der Anthony Drennan ersetzt werden musste), hatte sich in 2004 durch Carolines Schwangerschaft von 6 auf 8 Musiker verstärkt: Der neue Schlagzeuger Jason Duffy übernahm eine der Rollen von Caroline, der Keyboarder Kieran Kiely entlastete Jim.

 

Wenn man an der Konzert-DVD denn nun etwas kritisieren will, dann vielleicht das Bild. Die Bühne etwas dunkel ausgeleuchtet, die Kameraführung sehr dynamisch, aber manchmal aus dem Fokus, die zwischengeschnippselten Schwarzweißbilder künstlerisch wertvoll, aber nicht unbedingt nötig; die Totalen durch die fehlende Krankamera von hinten doch zu total. Das Publikum wurde in den Titeln etwas in den Hintergrund gemischt, die Rückkanäle kommen beim 5.1-Ton nur während der Beifallsstürme zwischen den Liedern zur Geltung. Und bei der Band: Die seit einiger Zeit etwas statische Setlist in der Zugabe (Breathless, Toss the feathers) und die zum Schluss des Konzertes etwas angeschlagene Stimme von Andrea Corr lassen sich noch kritisieren.

 

Ansonsten erlebt der Zuschauer vor dem heimischen Fernseher eine in bester Tonqualität aufgezeichnete Pop-Folk-Musik, eine bestens gelaunte Band, einige Improvisationen gerade in Andrea’s Gesangslinien im zweiten Teil des Konzerts, einige Gitarren- und Percussion-Soli, und einen Corrs-typischen Fehler, der dieses Mal zu Lasten von Sharon geht:

 

Als zu Beginn des Caroline-Sharon-Gesangsduetts No Frontiers Sharon erleichtert erzählt, dass sie durch Caroline’s Rückkehr nun endlich diesen Titel nicht mehr allein singen muss, vergisst sie in ihrer Begeisterung, den Titel anzusagen. Als Jim sie dezent, aber über das angeschaltete Mikrofon, darauf hinweist, kann sie sich nicht nur selbst, sondern auch der Rest der Band, vor Lachen nicht mehr halten (besonders cool der Fingerzeig mit dem „Toll-gemacht“-Daumen von Caroline zu Jim und Sharon).

 

Der Höhepunkte gibt es auf der Konzert-DVD sonst noch einige: Nach dem Intro mit drei Titeln am Stück (Humdrum, Only when I sleep, Dreams) begrüßt Andrea das Publikum und wiederholt dann die für die Tournee typische Entschuldigung „Caroline cannot be here tonight, because she is getting / she got a baby“. Aber an diesem Abend ist eben alles anders:„Caroline IS here“. Und in den Beifallsturm des Publikums hinein darf Caroline sich im Rampenlicht einmal vorstellen, endet dann aber mit der für sie typisch bescheidenen Aussage „now I’ll gonna go back where I belong“.

 

Weitere Höhepunkte sind alle Titel des Albums Borrowed Heaven, die man sich dringend einmal in diesen Live-Versionen anhören sollte: Humdrum. Long night, Summer sunshine und Borrowed Heaven selbst leben insbesondere erst live so richtig auf, und Angel ist DER Stimmungsmacher auf der Tour. Und nicht nur diese Titel sind besser als in Versionen vorher, das gilt auch für andere: Old town beispielsweise ist weitaus treibender als in der Unplugged-Version, gleichzeitig aber viel organischer und kantiger als in der Home-Version. Breathless wird in dieser 8-Mann-Version schon fast zum Rocker. Und Toss the feathers lebt durch das Percussion-Drum-Duell zwischen Caroline und Jason extrem auf – Caroline spielt übrigens eine von Jim mit viel Konfetti – sagen wir: „gedämpfte“ – große Trommel mitten auf der Bühne.

 

Übrigens Caroline: Nur sechs Wochen nach Geburt der Tochter ist sie an Percussion, Bodhran, großer Trommel, Keyboards und Gesang voll dabei. Insbesondere im Mittelteil des Konzerts wechselt sie ständig ihre Position zwischen den verschiedenen Instrumenten und scheint sich hier auch sichtlich wohl zu fühlen – statt hinter dem Schlagzeug eingeklemmt zu sein.

 

Die Bandvorstellung mit Mini-Soli aller acht Bandmitglieder während I never loved you anyway ist extrem gelungen, Andrea achtet auch darauf, Caroline als Letzte vorzustellen (eine Ehre, die sonst Jim zuteil wird; Caroline ist sonst die erste in der Corrs-Familie).

 

Und wer nun denkt, das 104-Minuten-Konzert sei der eigentliche Inhalt dieser Doppel-DVD, der wird durch DVD 1 eines besseren belehrt. Extrem gut gelungen ist auch die 102-minütige Dokumentation über die Laufbahn der Corrs seit etwa 1990. Von Teenager-Probeaufnahmen im heimischen Schlafzimmer bis zu Konzertausschnitten berühmter Konzerte (etwa der Moment, als Caroline gerade Mutter geworden ist, und die Band direkt vor einem Konzert in Paris davon erfährt) wird so einiges geboten. Weitere Extras wie auch zwei Promo-Videos runden das Angebot auf DVD 1 ab.

 

Erstaunlich, dass sich sogar die Kritiker bei dieser Corrs-DVD plötzlich überschlagen. Die sonst gegenüber Corrs-Studio-Alben auch etwas reservierte Zeitschrift Audio überschlägt sich etwa in der Dezember-Ausgabe 2005 und gibt „All the way home“ immer vier bis fünf „Ohren“ (von fünf möglichen) in jeder Kategorie - und zeichnet die DVD sogar zum Klangtipp des Monats aus.

 

Und selbst für Stefan Krulle, für den die Lone-Reviewer-Redaktion schon ein Fass Teer und einen Sack mit Federn bereitstellen wollte, haben wir uns eine angenehmere Kur überlegt: Wir laden ihn mal zu etwa 10 Stunden Corrs-Livemusik ein – von fünf verschiedenen Konzert-DVDs. Was für ihn vielleicht die Höchststrafe sein wird, ist für jeden mit normalen Gehörgängen ausgezeichneten Pop-Liebhaber ein Ohren- und Augenschmaus erster Klasse. Insofern kann man bei dieser Doppel-DVD auch als Weihnachtsgeschenk wenig falsch machen.

 

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

 

 

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