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 Königwerq

Königwerq – Königwerq

Debutalbum der Band Königwerq, erschienen am 11. Juli 2005

 

Im Treppenhaus zum Himmel

KQ-Album_cover 

In den 70er Jahren wurde der filigrane Pop-Rock mit schönen Melodien, viel „Groove“ und ausgefeiltem, mehrstimmigen Gesang a la Toto, Styx, Steely Dan und 10cc geboren. Die deutsche Szene konnte damals mit Lake kontern, einer ebenso virtuosen Band mit ähnlichem Stil. Um auch in Deutschland anerkannt zu werden, mussten sie englisch singen. Die deutsche Musik war auf Schlager und Volksmusik getrimmt.

 

Im rockigeren Bereich kamen später dann die Maffays, Westernhagens und Grönemeyers dazu, die jetzt noch die Dinosaurier im Bereich guter Musik mit deutschen Texten sind. Die Szene war eng und auf bestimmte Stilrichtungen beschränkt. Im Radio fand sie schlicht nicht statt.

 

Vor 2 bis 3 Jahren begann dann eine erstaunliche Entwicklung: Salonfähig wurden plötzlich deutscher Soul (Stefan Gwildis), deutscher R&B (von Xavier Naidoo bis Regy Clasen), deutscher Liedermacher-Pop (Annett Louisan), deutscher Rock (Silbermond) oder Alternativ-Rock (Wir sind Helden) bis hin zu diversen Spielarten des  Pop-Rock (Juli). Alles sehr eigenständig mit deutschen Texten und handgemachter Musik, bei den rockigen Elementen leider auf Schrammelgitarren-Rock beschränkt. Schrammelgitarren wurden im deutschen Rock- und Pop-Rock-Bereich zur Masche. Die virtuosere Alternative fand sich nur im Gwildis-Soul und Clasen-R&B.

 

Was noch fehlte, war filigranerer Pop mit Rock-, Soul- und Funk-Elementen, mit gespielten statt geschrammelten Gitarren, tiefgründigen Texten und einer variablen Lead-Stimme, die mehr als eine Stimmlage schafft und noch mit Reserven ausgestattet ist. Was fehlte, war auch mehrstimmiger Gesang, etwa durch einen starken Background-Chor.

 

Genau diese Lücke im Bereich des deutschen Pop-Rock schließt  Königwerq, die vor wenigen Tagen ihr Debutalbum mit demselben Namen auf den Markt gebracht haben. Eine Bandvorstellung von Königwerq findet sich auch in unserer Rubrik „Top-Listen“ unter „Top-Newcomer“. Zum Glück kannten die Lone Reviewers in diesem Fall die Band schon vor Erscheinen des ersten Albums.

 

Seitdem ich Königwerq zum ersten Mal beim Eurovision Song Contest gehört hatte, und seitdem ich danach dann einen Mitschnitt eines Radiokonzertes (Radio Regenbogen) hören konnte, hatte ich auf das Debutalbum der Band aus dem Raum Mannheim / Karlsruhe gewartet.

 

Und nachdem ich das Album nun am Abend des  Erscheinungstages endlich (nach mehreren, unten noch beschriebenen, technischen Problemen) vollständig hören konnte, muss ich es als großen Wurf bezeichnen. Alle Songs haben eine sehr hohe Qualität. Wer mich nach Anspieltipps fragt, bekommt gleich eine unverschämt hohe Anzahl von Titeln genannt („die glorreichen Sieben“). Dazu gibt es dann noch drei Gute-Laune-Songs als Starter, und auch der nicht explizit genannte Rest des Albums ist hörenswert, es gibt keinen Skip-Song.

 

Die musikalische Qualität, die Virtuosität der einzelnen Musiker, ist sowieso unbestritten. Alle stammen aus Musikhochschulen oder der Mannheimer Pop-Akademie und beherrschen ihre Instrumente, die Stimme der Lead-Sängerin Dania König setzt noch ein extremes Highlight darauf. Die Variabilität und Sicherheit findet sich nicht in anderen, derzeit radiokompatiblen deutschen Pop-Rock-Bands zusammen. Wo andere am Ende sind, scheint Dania König erst anzufangen. Und wie selbstverständlich stammen natürlich alle Texte und Kompositionen (bis auf ein Sting-Cover) meist von Dania König, auf jeden Fall aber immer von Königwerq.

pressebild_band 

Zu den Titeln im einzelnen. Die ersten drei Titel des Albums sind schnelle Gute-Laune-Songs. Der Start-Song Mann im Mond beginnt mit Schlagzeug, dann einsetzendem Bass. Der Synthesizer begleitet dann eine etwas einfach gestrickte Melodie, die später im Refrain ihre Fortsetzung findet. Die erste Strophe glänzt aber schon mit einem beinahe unverwechselbaren Königwerq-Groove. Man swingt mit. Ein guter Einstieg in das Album. Unschlagbar ist bereits vom Eurovision Song Contest und von der Single-Auskopplung her bekannt. Ein mit Bläserteppich angereicherter, druckvoller Song. Auch bekannt aus den Live-Programmen und dem Radiokonzert ist Sommersong, ein Titel, der an das Thema und die Stimmung von „So young“ (The Corrs) erinnert, auch textlich („wir sind jung und brauchen keinen Schlaf“, „and it doesn’t really matter if we do not sleep, we are so young“). Die Luft flimmert aufgrund der extrem hohen Temperaturen, der Synthesizer flirrt dabei auch fröhlich vor sich hin.

 

Bei vielen Alben wäre es das jetzt schon. Drei gute Songs am Anfang. Und dann? Bei Königwerq geht es erst los. Keiner der drei ersten Titel gehört bei mir zu den Anspieltipps, und davon sollen jetzt noch sieben folgen.

 

Die nächsten drei Titel sind solche Anspieltipps. Komm her gehört für mich zu den R&B-lastigen Balladen mit wundervollem Text und ebenso leichter, weil nicht überladener, Instrumentierung. Leider, leider, ist der lange Instrumentalteil als „hidden track“ ans Ende des Albums verbannt worden. Warum nur? Ein zweiter Höhepunkt folgt mit dem etwas schnelleren, trotzdem vielschichtigen Halt mich auf direkt danach. Sowohl vom Text als auch von der Komposition her beweist sich hier wieder die Klasse von Königwerq. Der dritte Anspieltipp im Bunde hat einige gestandene Königwerq-Fans sicher etwas zucken lassen. Die seit 2004 bekannte erste Single König des Leids (ein Sting-Cover) zeigt sich in völlig anderer Verpackung. Und für mich ist sie dadurch ein kleines Kunstwerk geworden, leicht swingend mit jazzigen Untertönen und einer wiederum fließenden akustischen Instrumentierung darunter. Ein neues Arrangement der Art „besonders wertvoll“ – wenn man nicht auf das etwas poppigere Original-Arrangement fixiert ist.

 

Der siebte Titel auf dem Album, Zahn der Zeit, ist schon seit 2004 aus dem Live-Programm bekannt, und vielleicht hat der bewusste Zahn schon an ihm genagt. Die etwas glatte Produktion und der etwas schneidende Gesang lässt einen die Live-Version herbeisehnen, zum ersten Mal. Trotzdem hörenswert – und definitiv kein Lied zum „Skippen“.

 

Die folgenden vier Titel (8 bis 11) bilden dann wieder einen Block, den man unbedingt hören muss. Damit hätten wir unsere glorreichen Sieben (Anspieltipps) zusammen. Zu Titel acht (Vergib mir) werden wir uns gleich noch ausführlicher auslassen. Leben ist zwar ebenfalls schon seit den Konzerten bekannt, aber glänzt in der Album-Version durch eine extrem transparente Produktion. Perfekt, und doch nicht glatt. Fließend, und doch nicht zu simpel. Sehr groovy. Toller Gesang – wieder mal. Und ein Text zum Zuhören – wieder mal. Ein schönes Duett Lead-Stimme / Background-Gesang beim Refrain. Der nächste Anspieltipp folgt mit der aktuellen Single Zukunftsmusik sofort danach. Drei verschiedene Melodieebenen greifen ineinander, die jeweils immer harmonischer werden. Der Text ist zuhörenswert, gerade für die ältere und manchmal die Jungen etwas gängelnde Generation. „Man sagt, die Jugend sei selbstverliebt und verblendet. Doch keiner hat bedacht, wir spiegeln nur, was ihr sendet“. Wie wahr. Und wie toll stimmlich umgesetzt. Der letzte Anspieltipp ist dann eine extrem gestrippte Ballade, König ohne Land. Dania König allein am Piano. Eine Ballade, bei der sie sich in der Schlussstrophe die Seele aus dem Leib singt – und bei der man doch merkt, dass diese Stimme sogar noch Reserven hat. Die den Fans bereits bekannte Live-Version zeigt übrigens, dass das nicht nur im Studio geht, sondern auch ohne Technik auf der Bühne – und dort sogar noch etwas leidenschaftlicher.

 

Titel 12 und 13, Leichter sein und Tag aus Glas, beide ebenfalls schon vom Radiokonzert her bekannt, sind dann eine schöne Abrundung eines tollen Albums.

 

Kann man noch Haare in der Suppe finden? Ganz wenige in einem extrem großen Topf Suppe. Der oft flimmernde Synthesizer-Sound ist manchmal gewöhnungsbedürftig, gerade für Hammond- und Fender-Rhodes-Fans. Manche Songs sind etwas glatt produziert und live knackiger. Das Album ist etwas kurz, die 70-Minuten-Spielzeit durch eine integrierte 10-Minuten-Pause vor dem „Hidden Track“ etwas geschönt. Als verstecktes Lied hätte ich mir dann auch eine komplette Live-Version von „Komm her“ gewünscht, und nicht  nur den  herausgeschnittenen Instrumentalteil. Und zur Kürze: mit „Lied“ und „Im Kopf“ fehlen aus dem Live-Programm mindestens zwei tolle Titel, die das Album bis auf neun Anspieltipps gebracht hätte.

 

Das Hauptproblem des Albums ist aber dieser Titel 8, Vergib mir.

 

Beim ersten Anhören klemmte dort plötzlich der CD-Spieler. Die Fernbedienung zog meinen Zeigefinger am Ende des Songs immer magisch auf die Skip-Back-Taste. Als ich die CD dann neu einlegte, mutierten die zehn Zifferntasten der Fernbedienung zu zehn Tasten mit der Aufschrift „acht“. Und dann hatte ich noch das Gefühl, dass mein CD-Spieler sich nachts heimlich selbst das Album eingelegt hat und immer diesen Titel Nr. 8 abgespielt hat – jedenfalls lag das Album morgens immer etwas verschoben im CD-Regal neben dem Player. Und eine halbstündige Autofahrt hatte ich in den Tagen nach Erscheinen des Albums dann ausschließlich mit diesem Titel als musikalische Untermalung absolviert.

 

Was ist das Problem mit „Vergib mir“?

 

Anfang der 70er wurde mit Stairway to Heaven von Led Zeppelin ein Jahrtausend-Hit geboren, der zwar aufgrund einer Länge von acht Minuten nie zur Single getaugt hat, aber in allen Wahlen zum Hit des 20. Jahrhunderts unter den Top-Positionen erscheint. Nach einem langsamen Beginn mit Akustikgitarre und einer stimmungsvollen Ballade fast zum Ende hin schon eine plötzliche Steigerung mit hartem Rock-Teil, und dann zum Ausspannen mit einem akustischen Ausklang. Nach diesem Titel brauchte man erst einmal so einige Zeit zum Sammeln (gut zu sehen im Cameron-Crowe-Film über die Rockmusik der 70er Jahre: „Almost Famous“).  In diesem Stil, mit dieser Stimmung und Dramatik erschien danach 1978 nur noch „Mistral Wind“ der Band Heart um die beiden Schwestern Ann und Nancy Wilson.

 

Das deutsche „Stairway to Heaven“ kommt nun von Königwerq mit Vergib mir. Analoger Aufbau in der Dramaturgie, ein langes Intro mit Akustikgitarre, zur ersten Strophe dann die Akustikgitarre mit drohender Basstrommel, zum Refrain ein Cello und ein tiefer Bass, dann zur zweiten Strophe die Akustikgitarre mit Orgelunterstützung, zum zweiten Refrain setzt neben dem Cello eine Flöte (oder das Sound-Äquivalent) ein.  Nach 3:30 könnte eine tolle Ballade zu Ende gehen. Dann schleicht sich plötzlich eine E-Gitarre langsam in den Vordergrund, bis sie das Kommando übernimmt. Einige harte Schlagzeug-Schläge lassen das Balladen-Kartenhaus (auch textlich passend) einstürzen. Dann ein episches Ende als zweiminütige Rockhymne mit voller Band und Streichern, mit tollem Background-Gesang, extrem druckvoll. Dania variiert die zwei Worte „Vergib mir“ in diesen zwei Minuten stimmlich so häufig, dass andere Sängerinnen wohl ziemlich blass werden müssen. Zum Ausspannen dann ein ruhiges Ende nur mit Klavier-Untermalung. Nach dem Ende braucht man eigentlich erst einmal eine längere Denkpause. Der Finger ruht zunächst auf der Pausentaste und – wenn es dann wieder geht - bewegt er sich magisch zur Skip-Back-Taste. „Vergib mir“ macht süchtig, der Gesundheitsminister müsste dringend warnen. Und CD-Spieler klemmen. Tagelang.

 

Das Lone-Reviewer-Fazit: Ein tolles Debutalbum. Filigraner deutscher Pop mit viel Groove. Ein durchgängig gutes Album mit sieben Anspieltipps – und in „Vergib mir“ mit einer ganz selten gewordenen Perle. Ein Album, das in jedes CD-Regal gehört, das von sich behauptet, gute Musik zu beinhalten. Die Musik von Toto und Styx, früher von der deutschen Band Lake erreicht, gibt es jetzt auch mit deutschen Texten.

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

Webseite der Band: www.koenigwerq.de

Fanforum: www.koenigwerq.de.vu

Cover und Bild mit freundlicher Genehmigung von Sascha Kubach; Credits: Bild von Benjamin Wolf

 

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