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 Heart: Jupiters Darling

Heart – Jupiters Darling (18 Tracks, 69 Minuten)

 

Das Album des Jahres 2004 – na ja, zunächst zumindest das Album des ersten Halbjahres 2004 – erschien am 7. Juni. Die Wilson-Sisters veröffentlichten da ihr Comeback-Album, das erste Studio-Album seit 11 Jahren. Da ich sieben Titel dieses Albums dann drei Tage nach Erscheinen – also am 10. Juni 2004 – auch noch live im Konzert erleben durfte (im Hammersmith Apollo) war ich vollends elektrisiert.

 

Wer die Gruppe „Heart“ der beiden Schwestern Ann (Gesang) und Nancy Wilson (Gitarre, Gesang) nur aus den 80er Jahren kennt, wird über das neueste Heart-Album „Jupiters Darling“ entsetzt oder zumindest überrascht sein. Das im Juni 2004 erschienene neue Album hat nichts mehr mit dem gestylten, überproduzierten Adult-Oriented Rock der 80er zu tun, bei dem Ann und Nancy in High Heels und mit hochgefönten Lockenfrisuren die Songs von Mega-Hitschreibern sangen – Synthesizer kleisterten zusammen mit satten, aber geglätteten E-Gitarren die süßlichen Power-Rock-Songs von Mutt Lange und Diane Warren ein.

 

Wer die Gruppe Heart jedoch noch aus den 70er Jahren kennt, wird hocherfreut sein über dieses Album. Es gibt extrem abwechslungsreichen, handgemachten Rock, teilweise mit akustischen Instrumenten eingespielt, Folk-Einflüsse sind zu hören, aber auch Elemente von Blues-Rock, Grunge, Punk-Rock, Garage-Rock, und auch einige ruhige Balladen. Auf 70 Minuten Spielzeit (!!) schaffen Heart eine Achterbahnfahrt zwischen verschiedensten Musikstilen, allerdings kommen sie selbst in den schrägsten Grunge-Rock-Songs wieder in melodische Refrains hinein, die Heart auch in den 70er Jahren auszeichneten. Jupiters Darling ist die beste Heart-CD seit 25 Jahren, seit dem Opus „Dog and Butterfly“, das neben dem Debut „Dreamboat Annie“ nun zu den meinen Top 3 von Heart gehört.

 

Zu den einzelnen Songs:

 

Der Opener „Make Me“ (04:00) ist beispielsweise der würdige Nachfolger von „Crazy on You“ aus den 70er Jahren. Nach einem einminütigen Akustikgitarren-Intro wird mit dann treibender Akustikgitarre gerockt.

 

Oldest Story in the World“ (03:51) ist ein Hard-Rock-Song über Medien und Politik, dem man den Ärger von Ann und Nancy beim Schreiben des Textes noch anhört („Crash the television!“). Oldest story war die erste Single-Auskopplung für die US-Rockradios und kann schon als Nachfolger des 70er-Jahre-Rockers „Barracuda“ gelten.

 

Ein weiterer, etwas getragener Rocker ist „Move On“ (05:00). Interssant hier insbesondere das Bass-Spiel von Mike Inez (früher Alice in Chains). Ein tolles Gitarrensolo des neuen Lead-Gitarristen Craig Bartock am Ende. Und insgesamt sind Lead-Gitarre (Craig Bartock) und Rhythmus-Gitarre (Nancy Wilson) schön eckig und kantig – ein großartiger Rock-Song.

 

Vainglorious“ (03:57) ist ein wildes Hard-Rock-Titel über Egomanen – eben Leute, die sich für Glorious halten und eben doch eher ihrem Wahn erliegen. Und auch hier fallen die Basslinie und ein atypisches Gitarrensolo auf. Bemerkenswert auch der schrille Backgroundgesang von Nancy.

 

Fallen Ones“ (03:41) ist ein weiterer Hard-Rock-Titel auf „Jupiters Darling“, er könnte fast noch von Led Zeppelin stammen – „Fallen Ones“ ist als Bonus auch in einer Unplugged-Variante vorhanden. Zwei Gitarrensoli schließen jeweils relativ melodische Refrains ab, die sehr kantige Strophen einschließen.

 

Da Heart auch in den 70er Jahren schon als die weiblichen Led Zeppelin galten, und da sie als Beatles-Cover-Band zu Teenager-Zeiten angefangen hatten, ist es kein Wunder, dass „Jupiters Darling“ wie eine erfrischende Mischung wiederauferstandener Bands wie Led Zeppelin, Beatles und Jethro Tull klingen – allerdings mit zwei sehr markanten weiblicher Stimmen statt der sonst im Rock verbreiteten männlichen.

 

Die Achterbahnfahrt durch die Stilrichtungen hat ihre entgegengesetzten Höhepunkte in einigen tollen Balladen Und Folk-Songs.

 

I Need The Rain“ (04:20) sieht Nancy an Mandoline und am Lead-Gesang). Eine wunderschöne, fast herzzerreissende Nancy-Ballade im Stil der 70er-Jahre Butterfly-Songs von Heart.

 

Enough“ (03:23) ist eine der von Ann gesungenen Balladen, mit vielen Beatles-Elementen und einem Cello-Solo. In der zweiten Halbzeit des Liedes kommen E-Gitarren dazu und verleihen dem Ende des Liedes noch einiges an Kraft.

 

No Other Love“ (04:00) ist eine Ballade, ebenfalls von Ann gesungen, die von Nancy auf der Mandoline begleitet wird. Violinen und Celli sind zur Abrundung zu hören. Nein, nicht nur zur Abrundung. Was für einen Streicher-Teil: Nicht das 80er-Jahre-Honig-Paket, das süßlich verklebt, sondern wirklich gestrichen: Ja, Streichinstrumente bestehen aus Saiten, die hier herauszuhören sind.

 

Hello Moonglow“ (01:54) erinnert an eine Beatles-Ballade, selbst das Mellotron findet als Instrument seine Wiederauferstehung. Ein Schlaflied zum Abspannen nach all den Rockern.

 

Blues-Rock wie „Down The Nile“ (04:49), ein herrlich schräger, von Nancy gesungener, extrem ironischer Grunge-Punk-Titel „I’m Fine“ (02:59), bester Pop-Rock in „The Perfect Goodbye“ (03:37; die Single für die US-Pop-Sender) und ein lustiger und stampfender Country-Titel „Things“ (02:43), bei dem Nancy als Sängerin schon mehrfach lachen muss (auch über ihre eigene Interpretation von beeeeeszzzzzz), runden die 70 Minuten handgemachter Hard-Rock-Folk-Musik ab.

 

Ein 7-Minuten-Titel muss zum Schluss noch erwähnt werden: „Lost Angel“ (06:54) ist ein Titel in der Tradition des 70er-Jahre-Opus „Mistral Wind“, das „Stairway to Heaven“ der Band Heart. Allein Lost Angel bietet mit balladenartigen, ruhigen und akustischen Teilen im Wechsel mit Hard-Rock-Elementen, und akustischen Brücken zu elektrischen Teilen alles das, was das Heart-Fan-Herz mit der Musik der Band Heart aus den 70er Jahren verbindet.

 

Die CD ist alles andere als überproduziert, zum Glück. Gitarren, Schlagzeug und Bass klingen trocken und dynamisch, Nancy Wilson als Produzentin verzichtete auf jeglichen modischen Schnickschnack oder 80er-Jahre Synthesizer-Kleister.

 

„Jupiters Darling“ ist ein seltenes Ereignis – und darum für mich auch dank des 24-seitigen Booklets DIE CD des ersten Halbjahres 2004.

 

Andreas (a.h.)

 

andreas@lonereviewer.de

 

 

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