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 San Glaser: Never in Vain

San Glaser – Never in Vain

Veröffentlichungsdatum: 25.11.2005

Eine Dreiviertelstunde zum Relaxen und Träumen –
San Glasers Debut toppt Katie Meluas Zweitwerk

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Schade für Katie Melua. Da hatte sie am ersten Musik-Freitag in Deutschland, am 23.9.2005, ihr zweites Album auf den Markt gebracht, leider zeitgleich zum Back-to-the-Roots-Album der irischen Corrs. Und da das Corrs-Album dann einige Tage den CD-Spieler des Lone Reviewers verklemmte, kam das Album von Katie Melua erst in der Folgewoche zum Zuge. Nach erstem Anhören wurden bei einem sonst guten Album ein paar Schwächen deutlich: Die teilweise etwas kalte, scharfe Stimme von Katie, manchmal noch etwas unausgereift, was gerade beim Canned-Heat-Klassiker „On the Road Again“ am Anfang stört. Die teilweise etwas holpernden, fast ins schlagerhafte abgleitenden Melodien, gerade bei einigen Mike-Batt-Kompositionen. Die teilweise etwas nach Zwangsreimen aussehenden Texte, die etwa Statistiken über die Anzahl von Fahrrädern in Beijing als Ausgangspunkt für eine Liebeserklärung machen ... Irgendwie kann man auch im Genre Soft-Blues und Soft-Jazz das noch besser machen, dachte sich der Reviewer ...

 

Schade für Katie Melua, dass am nächsten Tag plötzlich ein Briefumschlag im Postkasten lag mit dem Debutalbum von San Glaser, das eigentlich erst Ende November 2005 erscheinen wird. Erfreut wurde die CD gleich in den CD-Spieler gepackt .. und mehrfach von vorn bis hinten angehört.

 

Schade nämlich für Katie Melua, dass San Glasers Debutalbum „Never in Vain“ tatsächlich beweist, dass man im Genre softer, relaxter Soul- und Jazz- (und Folk-)Musik eben nicht ins schlagerhafte abgleiten muss. Und dass Stimmen nicht kalt und unausgereift klingen müssen. Und dass Texte eben auch nicht zum Reim-Dich-oder-ich-schlag-Dich verkommen müssen. Gerade was wir bei Katie Melua kritisieren wollten, war bei San Glaser weitaus besser gelungen.

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von links: Foppe Glaser, San Glaser (Foto: Philip Glaser)

 

Schon seit über einem halben Jahr hatten wir die Songschnippsel von „Never in Vain“ auf San Glasers Homepage angehört. Somit war die samtweiche, trotzdem variable Stimme keine Überraschung mehr. Ob bei softem Jazz wie „Miracles“, bei Balladen wie „In my dreams“ oder druckvollerem Soul / R&B wie „Talk to me“ und „We love the same“, die Stimme passt immer – und ist eine erfreuliche Mischung aus Norah Jones, Joss Stone und Diana Ross. Diana Ross? Diese Assoziation kam sicher durch ein sehr gelungenes Diana-Ross-Cover „Theme from Mahogany“, das in den 70ern als Soundtrack berühmt wurde.

 

Im Vergleich zu Norah Jones fehlt der Stimme von San Glaser zwar die „nuschelige Lässigkeit“ der mehrfachen Grammy-Gewinnerin. Die „emotionale Substanz“ (Zitat Harald Kepler von der Amazon-Redaktion), die Norah Jones auszeichnet, liegt aber auch in der Stimme von San Glaser. Und diese fehlt bei Katie Melua. Andererseits würde ich mich sehr wundern, wenn Norah Jones einmal ein Diana-Ross-Cover gelingen würde. San Glaser gelingt das spielend.

 

Im Vergleich zu den Song-Schnippseln überraschend war sicher das, was man erst bei den 3-bis-5-Minuten-Vollversionen zu hören bekommt: Schöne Instrumentalbrücken und schöne Soli bei vielen Liedern, und eine extrem transparente, luftige Produktion, die Kontrabass, Akustikgitarre, Piano und gewischtes Schlagzeug auch „scheinen“ lässt.

 

Überraschend auch, wie viel „Dampf“ bei diesem samtig-weichen Album hinter einigen Songs wie „Talk to me“ und „We all love the same“ steckt. Und das ist nun wieder ein Stil, den wir der Norah Jones – und insbesondere ihrer Stimme - nie und nimmer zutrauen würden.

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von links: San Glaser, Foppe Glaser (Foto: Philip Glaser)

 

Bei den 12 Songs des Albums einen Anspieltipp von vier oder fünf Titeln festzulegen, erscheint mir bei der Geschlossenheit des Albums fast unmöglich. Der alte Fußballerspruch „Das Team ist der Star“ gilt für das Glaser-Album wohl als „Das Album ist der Anspieltipp“. Wer wenig Zeit hat, sollte einfach die ersten sechs Titel des Albums anhören und bekommt damit einen Eindruck einerseits von der einheitlichen Qualität und Durchgängigkeit, andererseits von der Vielfalt in den Nuancen.

 

All of my life (Musik: Harald Mönckedieck; Text: Harald Mönckedieck ; 4:06)
 Das Album startet mit einer schönen, jazzigen Ballade, in der die warme Stimme von San Glaser im Vordergrund steht. Dazu kommen eine gestopfte Trompete und eine schöne Klavierbegleitung. Da ich dieses Lied aber auch schon live in einer Kirche gehört hatte (siehe
Konzertbericht), kann ich jedem Albumkäufer auch nur empfehlen, sich gerade dieses Lied einmal live anzuhören. Die Stimme von San Glaser wirkt dann noch weitaus gewaltiger.

 

Miracles (Musik: San Glaser; Text: San Glaser; 4:11)
 Schon in der Vorstellung von San Glaser (unter
Top-Newcomer) hatte ich dieses Lied als „Signature Song“ bezeichnet. Die jazzige, schleichende Grundmelodie mit gewischtem Schlagzeug und Bass ist extrem gelungen. Gitarre und  Klavier kommen dazu, neben einigen Streichern im Hintergrund. Die Klavierbrücke in der Mitte des Songs ist eine schöne Überraschung. Dieser Titel war wohl einer der ersten, die für dieses Albumprojekt entstanden waren und er beweist, dass San Glaser nicht nur singen, sondern auch zauberhafte, fließende Melodien komponieren kann.

 

Consequences (Musik: Harald Mönckedieck; Text: Harald Mönckedieck; 3:24)
 Langsam erhöht sich das Tempo und der Druck auf dem Album. Diese jazzige und schwungvolle Mönckedieck-Komposition wirkt wie San Glaser auf den Leib geschrieben. Eine schöne Jazz-Stimme und treibende Rhodes, ein von San Glaser gesungenes „Instrumentalsolo“ .. und insbesondere das kurze, souveräne Auflachen von Sandra nach „and I’m free at last“ lassen einen beim Anhören nicht mehr ruhig sitzen.

 

Talk to me (Musik: San Glaser, Christof Littmann; Text: San Glaser, Jason Nye; 3:35)
 Vom schwungvollen Jazz-Pop geht es mit diesem Titel zum Soul. Der druckvolle Sound rührt unter anderem vom Bläser-Trio Boxhorns, die diesem Titel ihren Stempel aufdrücken. Der Titel würde auch zu Joss Stone passen, die Stimme eher zu Diana Ross. Selbst die Playlist-Generatoren der Einheitsbrei-Radiosender sollten bei diesem Titel doch einmal schwach werden – unter normalen Umständen wäre dieser Titel „hitverdächtig“.

 

We all love the same (Musik: San Glaser, Christof Littmann; Text: San Glaser, Jason Nye; 4:28)
 Nach einem schönen Akustikgitarren-Intro durch Nils Tuxen startet der vielleicht treibendste Titel des Albums mit Rhodes und Hammond-Orgel. Die beiden fein aufeinander abgestimmten Keyboards lassen auch diesen schnellen Titel sehr warm klingen – Soul in Reinkultur. Das gemischte Hammond- und Gitarren-Solo im Mittelteil ist zurückhaltend, aber wunderschön. (Und wer versucht, bei diesem Titel eine Rezension zu tippen, muss erst einmal auf die Pausentaste drücken, da das Tippen sonst in ein Im-Takt-Mit-Trommeln übergeht und die Tippfehlerfreiheit des Textes extrem gefährdet wird ... so, jetzt geht es wieder auf die Play-Taste ..)

 

Let there be you (Musik: San Glaser, Christof Littmann; Text: San Glaser; 3:53)
 Nachdem sich Druck und Tempo innerhalb der ersten fünf Titel ständig erhöht haben, geht es nun mit einer entspannenden Ballade weiter. Nach einem Klavierintro folgen eine Hammond-, Piano-und Kontrabass-Begleitung. Auffällig die einsetzende Steel-Gitarre und das Klaviersolo, auffällig aber auch, dass bei vielen San-Glaser-Titeln mehrere Arten von Tasteninstrumenten harmonisch zusammenwirken (Piano, Hammond, Rhodes).

 

Theme from Mahogany (Musik: Gerry Goffin, Mike Masser; Text: Gerry Goffin, Mike Masser; 3:22)
 An zwei Händen kann ich die Cover-Versionen abzählen, die besser sind als das Original .. und mit diesem Diana-Ross-Cover brauche ich nun einen Finger mehr. Die schöne Instrumentalbegleitung, unter anderem mit Trompete, klingt organischer als das Diana-Ross-Original, das leider ab der zweiten Strophe etwas zeitgeistmäßig nach Plastik schmeckt. Eine Trompetenbrücke im Mittelteil leitet überraschenderweise ein schönes Trompetensolo ein. Der Song endet mit deutlich hörbaren Percussions.

 

Never in vain (Musik: San Glaser, Christian Doepke; Text: San Glaser; 3:44)
 Dieser Titel startet mit Akustikgitarre und wunderschön luftigen Percussions, dann setzen Rhodes, ab zweiter Strophe auch das Schlagzeug ein. Akustikgitarre und Steel-Gitarre treiben diesen swingenden Titel dann voran. Am Schluss ein schönes Steel-Gitarren-Solo, dann auch die positive Wendung im sonst sehr nachdenklich stimmenden Text: Das kleine Mädchen, das besungen wird, lächelt nun auf dem betrachteten Foto. Im Booklet ist übrigens das kleinste Mädchen, das dort auf Fotos zu sehen ist, Sandra Glaser selbst, die neben ihren Geschwistern sitzt. Zukünftige Besucher von Glaser-Konzerten können das fröhlich den Song abschließende, trotzdem komplexe „lalala“ schon heimlich vorher trainieren – vielleicht werden sie von Sandra ja im Konzert zum Mitsingen aufgefordert. Das Lied klingt mit Bass, Gitarre, dann Percussion aus. Ein tolles Lied mit einem Text, der einen zum Grübeln bringt.

 

This thing called love (Musik: San Glaser, Klaus Sperber, Martin Langer; Text: San Glaser; 3:44)
 Jazzig wird es jetzt wieder, Klavier, gewischtes Schlagzeug und Trompete begleiten die samtige Jazz-Stimme, die kanonartige Wiederholung der Textteile „I ask myself“ und „what is this“ (Sandra mit Sandra selbst als Background im Wechsel) treiben den Titel unheimlich an. Ein Klaviersolo und eine gesungene Instrumentalbrücke führen dann in den Schlussteil, der witzigerweise den Text in „funny crazy little thing called love“ nach Queen-Vorbild transformiert.

 

Don’t hold back (Musik: Christian Doepke; Text: San Glaser; 3:42)
 Dieser Titel ist eine schöne Ballade mit Akustik-Gitarrenintro. Nach dem Refrain setzt dann erst mit der zweiten Strophe die Band ein, die Wärme wird wieder von der Rhodes erzeugt. Die Klammer schließt sich am Ende, das nur von der Akustikgitarre und San’s Stimme bestritten wird.

 

Comin’ home (Musik: Harald Mönckedieck; Text: Harald Mönckedieck; 3:51)
 Ein Klavier-Intro, dann mit Gitarre (und Steel-Gitarre) und Schlagzeug ein leichter Folk-Einschlag: Dieser Titel hätte auch auf Norah Jones’ geniales zweites Album gepasst. Wunderschön übrigens, diesen Titel beim Nach-Hause-Kommen von einer langen Dienstreise etwa im Auto-CD-Player zu hören. Ein geniales Gitarrensolo im Mittelteil, wie von Mark Knopfler in seinen besten Zeiten.

 

In my dreams (Musik: San Glaser, Nils Tuxen, Daniel Hall; Text: San Glaser; 3:21)
 Eine sehr melancholische Ballade, nur mit Akustikgitarre von Nils Tuxen begleitet, beschließt das Album. Zur Melancholie trägt bei, dass San Glaser die Tracks des Albums in noch unfertigem Zustand nicht am Krankenbett ihres Vaters, auch eines Musikers, spielen wollte. Als die Tracks dann vorzeigbar waren, kamen sie für ihren Vater zu spät .. so wurde dieser Titel auf seiner Beerdigung gespielt.

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San Glaser (Foto: Philip Glaser)

 

Nach Anhören der 12 Album-Tracks muss für das San-Glaser-Album ein dickes Lob her, das wir (und unsere Kollegen von Rockolymp.de) bisher in dieser Form nur für Sophie Zelmani, die schwedische Songwriterin, übrig hatten:  „Eine solche Fülle von gelungenen, fließenden Melodien ist fast unglaublich.“ Die Gitarrenarbeit und die Melodien erinnern tatsächlich an Sophie Zelmani, die die Bestenliste der deutschen Schallplattenkritik 2003 und 2004 anführte. Nur die hauchende, schüchterne Stimme von Sophie Zelmani erreicht nicht die Kraft und Vielfalt der Stimme von San Glaser.

 

Nicht nur die Fülle an gelungenen Melodien ist beeindruckend, sondern auch die Fülle an tollen Musikern, die San Glaser da bei den Aufnahmen zu „Never in Vain“ um sich geschart hat. Mit Martin Langer als Produzent und Schlagzeuger, Mirko Michalzik als Gitarrist und Achim Rafain am Bass hat Sandra die halbe Stefan-Gwildis-Band um sich geschart. Und die ebenfalls Gwildis- und Regy-Clasen-erprobten Boxhorns kommen als Bläsersektion noch dazu. Live konnte ich San Glasers Band mit Robbie Smith (Percussion, Background-Gesang), Jens Wrede (Bass) und Tobias Neumann (Keyboards) neben Mirko Michalzik erleben, die auch im Studio jeweils mitgewirkt haben. Auf drei Titeln spielt Jan-Peter Kloepfel Trompete, auf vier Titeln Nils Tuxen Steel-Gitarre und Gitarre. Daneben wurden einige Titel mit Olaf Casimir am Bass aufgenommen.

 

Das zwölfseitige Booklet, passend zum Mahogany-Thema in Holz-Optik gehalten, ist schön aufgemacht und informativ. So wurden neben einem aktuellen Foto von San Glaser viele Familienfotos (unter anderem mit Vater und Geschwistern) an das Holz „gepinnt“, was wiederum zum Text von Never in Vain passt. Und die Texte sind natürlich auch alle abgedruckt. Im Booklet ist dann noch pro Titel jeder Musiker mit jedem Instrument abgedruckt – und sehr sorgfältig wurde auch zwischen Grand Piano, Hammond B3 und Rhodes unterschieden und nicht schnöde von Keyboards geredet. Glücklicherweise ist der Holzhintergrund hinter diesen Informationen durch ein schlichtes Weiß ersetzt worden – da hat jemand nachgedacht und insbesondere an die Fans gedacht, die später einmal das Album bei Kerzenschein genießen möchten – und trotzdem im Booklet mitlesen möchten.

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San Glaser (Foto: Philip Glaser)

 

Unser Fazit:

 

Schließlich kann sich Katie Melua doch noch trösten: Zwei Wochen nach Erscheinen landet ihr zweites Album doch einige Mal im CD-Player, man springt dann zwischen den vorhandenen Perlen auf dem Album herum. Da die Perlen zum Teil auch auf der Live-DVD von Katie Melua enthalten sind, und da Katie und ihre Band mir live noch weitaus besser (weil organischer) gefallen als auf der Studio-CD, ist die Live-DVD für mich aber weiterhin die weitaus bessere Alternative.

 

San Glasers Debutalbum „Never in Vain“ hat sich dagegen zum 45-Minuten-Durchhöralbum entwickelt. Insbesondere auf vielen, sehr langen Autofahrten in letzter Zeit war dieses Album in meinem Vierfach-CD-Wechsler das meistgehörte Album – und bisher habe ich es noch nie geschafft, einen Titel zu „skippen“. „Never in Vain“ wird bei mir wohl langfristig neben die Alben von Norah Jones, Joss Stone und Sophie Zelmani ins Regal kommen.

 

In meine Top-Listen des Jahres 2005 werden Sandra und Katie kommen: San Glaser bei den Top-CDs – derzeit für mich die Top-CD des Jahres 2005 -  und Katie Melua bei den Top-DVDs.

 

Andreas (andreas@lonereviewer.de)

 

Website von San Glaser: www.sanglaser.com

Unser Konzertbericht: San Glaser in Harburg, Juni 2005

Unsere Vorstellung von San Glaser: Top-Newcomer

Bilder mit freundlicher Genehmigung von San Glaser; Credits: Bilder von Philip Glaser

 

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