Home
BuiltByNOF
 Königwerq

30 Sekunden bis zum Fan: Unschlagbar

 

Die Newcomer-Band Königwerq

 

Der deutsche Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) hatte sich nach Blödelangriffen von Guildos, Waddehaddedudenndaaas und entflohenen Container-Insassen ohne Stimme in den letzten Jahren doch wieder zum Musik-Event hochgeschaukelt, Soul-Überraschungssieger wie Max Mutzke inklusive. In diesem Jahr lohnte sich das Einschalten allein schon wegen Stefan Gwildis, von dem ja die vom Lone Reviewer zur DVD des Jahres 2004 gekürte „Neues Spiel Live!“ stammt. Die Telefone lagen zur Abstimmung für Gwildis bereit, den Rest konnte man sich entspannt anhören.

 

Die weiteren neun Titel, vom irischen Pop a la Johnny Logan oder den dänischen Olson Brothers, über typischen Uns-Udo Old-Style Rock mit geschmacksfreiem Haudrauf-Text bis hin zum scheinbar unvermeidlichen Stenkelfeld-Sögel-Angriff (oder war das etwa der echte Siegel?) auf den guten Geschmack war auch in diesem Jahr alles dabei, eine erfreuliche Bandbreite. Aber eben auch nichts, was den an Neuem interessierten Musikhörer (und Gwildis-Fan) sofort in den Bann gezogen hätte – bis auf eine markante Ausnahme.

 

Die Band Königwerq war den Lone Reviewers vor dem besagten Samstag des Vorentscheids noch nicht bekannt. Die einschlägige Presse wusste zu vermelden, dass das die Band mit der hochschwangeren Sängerin sei – und ob das denn erlaubt sei. War das ein Marketing-Trick? Wechselte Königwerq vielleicht alle zwei Monate die Sängerin aus, um als Frontfrau immer wieder eine frische Hochschwangere aufbieten zu können? Und mit dem q am Ende des Namens konnte man vielleicht auf mittelalterliche Punkmusik tippen. Samstag abend: Tatsächlich betrat eine komplette Band mit sichtbar hochschwangerer Sängerin die Bühne.

pressebild_band3-b
Königwerq: von links Carl-Michael Grabinger (Schlagzeug), Michael Paucker (Bass; bis 2004: Ulrich Sixt), Mathias Kiefer (Gitarre), Dania König (Gesang), Nico Schnepf (Keyboards); nicht auf dem Foto: Michelle Walker, Thanh Mai Susann Kieu (Background-Gesang)

Die Startsekunden: Kein mittelalterlicher Punk, sondern eine etwas stark gefilterte, mit Bläsern untersetzte, dynamische Startsequenz setzte ein, das hörte sich ja schon einmal recht gut an. Mal sehen, ob da gleich der Gesang unter der ziemlich satten Instrumentalplattform völlig untergeht.

 

Nach 15 Sekunden: Oh Wunder, die erste Strophe beginnt mit einer sehr sparsam instrumentierten, extrem groovigen Melodie. Bass, Gitarre und Schlagzeug untermalen sehr luftig die schöne Stimme der Sängerin – und die scheint ja wirklich eine zu sein und nicht nur ein hochschwangerer Marketingtrick. Und jetzt weiß man auch, dass da keine Statisten auf der Bühne stehen, sondern „echte“ Musiker (auch wenn diese aufgrund der ESC-Regeln ja im Gegensatz zur Sängerin nur zum Playback mimen dürfen).

 

Nach 30 Sekunden: Die zweite Strophe, schön gesetzte Keyboard-Sprengsel kommen dazu. Auch das letzte Bandmitglied hat also seinen Sinn. Und Sinn hat erst recht dieser Text („Unschlagbar“), ein Lied über einen perfekten Tag, den man genießen sollte, auch wenn er nur bis morgen hält. In diesem Moment fiel schon die Entscheidung, die Homepage dieser Band im Anschluss der Sendung mal zu besuchen. Vergleiche mit dem Soul von Stefan Gwildis und mit dem luftigen und schönen R&B mit deutschen Texten von Regy Clasen kamen auf.

 

1 Minute und 10 Sekunden: Eine schöne Brücke zur nächsten Strophe wieder mit einer kleinen Keyboard-Sequenz, und das trotz der zur Hektik verleitenden „maximal-drei-Minuten“-Regel des Song Contests.

 

3 Minuten: Ein tolles Stück Musik ging zu Ende. Können die noch mehr, oder war das Ganze jetzt schon die gesamte musikalische Kapazität der Band? Und woher kommen die überhaupt?

 

Durch eine kurze Suche im Web (königwerq-Infos sind allein aufgrund der außergewöhnlichen Schreibweise mit Google natürlich hervorragend zu finden) konnten die ersten Informationen schon direkt nach der Sendung eingeholt werden. Eine Mannheim-Karlsruher Band, Live-Auftritte seit knapp zwei Jahren, im Südwesten und insbesondere bei den lokalen Radiosendern schon mehr als ein Geheimtipp, sondern sogar in den Jahrescharts eine feste Größe. De_pop nennen die fünf ihre Musik. Auch die anderen Musikproben auf der Homepage hörten sich gut an. Und laut bereitgestellter Videos waren die fünf Open Air in Stuttgart sogar schon einmal vor zigtausend Leuten aufgetreten. Schließlich ist die Sängerin Dania König mittlerweile Dozentin an der Musikhochschule in Mannheim, Schlagzeuger und Keyboarder sind Studenten der Popakademie Mannheim und waren in der Arte-Dokumentation über diese Einrichtung insbesondere in Folge 5 (die mit der Zwischenprüfung eines Sängers) schon in der Begleitband des Prüflings zu sehen.

pressebild_live1-b

Dank der netten Einrichtung eines Web-Gästebuchs bildeten sich nach der Sendung dann unter anderem „Koalitionen“ der nicht von der SMS-Generation auf die ersten beiden Plätze des Vorentscheids gewählten, etwa tauschten sich auch Stefan-Gwildis-Fans und Königwerq-Anhänger  aus. Dank eines netten Königwerq-Fans (Dank an Wolfgang!) hatte der Lone Reviewer dann nach wenigen Tagen nicht nur die Maxi-CD des ESC-Titels „Unschlagbar“ doppelt (die zugesandte jedoch mit Widmung der Band, die selbst bestellte von jpc.de kam natürlich ohne dieses Extra), sondern auch den Radiomitschnitt eines Königwerq-Konzerts.

 

Das im Juli 2004 auf Radio Regenbogen (einem Mannheimer Sender) ausgestrahlte Konzert konnte dann auch die letzten Zweifel ausräumen. Die sieben Musiker auf der Bühne (zwei Background-Sängerinnen gehören zum Stamm) haben noch weit mehr exzellente Musik und ebensolche Texte zu bieten als die bisher veröffentlichen Singles „König des Leids“ (ein Police-Cover) und „Unschlagbar“. So will „Sommersong“ einen zu kalten Sommer vertreiben und ist fröhlicher Gute-Laune-Pop. „Leben“ besticht durch einen nachdenklichen Text mit wunderschöner Synthesizer- und Gitarren-Untermalung. „Leichter sein“ ruft zur Konzentration auf das Wesentliche auf, und zum Abschütteln unnötigen Ballasts, und ist gleichzeitig eine Hymne mit Mitsing-Schlussteil. Die Interaktion mit dem Publikum gerade durch die Frontfrau Dania König zieht sich durch alle Lieder. Die luftige und schöne Instrumentierung, und das gilt für alle vier Instrumente, ist ebenso eine Konstante bei jedem Königwerq-Titel.

 

Mein Favorit ist derzeit das Lied „Lied“, das es in einer Akustik-Version auch auf der Maxi-CD „Unschlagbar“ gibt. Noch schöner mit eingearbeiteter Ansage ist die Live-Version. „Lied“ handelt von den Besserwissern dieser Welt, die ihre Meinung immer anderen aufdrücken wollen. Dabei sollen sie doch die Komponistin und Texterin dieses Liedes in Ruhe lassen „Lass mir mein Lied, ich lass Dir Deines auch“.

 

Hoffen wir, dass letzteres beim hoffentlich bald erscheinenden ersten Album und auch den Folgealben in den nächsten zwanzig Jahren insbesondere für die Plattenfirma gilt: Mischt Euch mal nicht in die Kompositionen, die Texte, die Arrangements und den Stil von Königwerq ein. Das hat schon Stil, ist feiner und virtuoser als die Konkurrenz von Juli, Silbermond und Wir sind Helden. Oder kurz gefasst: Was Regy Clasen und ihre Band  für Hamburg ist, kann Königwerq für den Südwesten werden: die Region könnte Königwerq gehören. Und Deutschland sollte Königwerq kennenlernen.

 

Ich hoffe, dass Königwerq-Titel bald auch einmal bundesweit gespielt werden. 30 Sekunden oder etwas mehr von dieser Musik reichen normalerweise aus, um von dieser Musik eingefangen zu werden. Und das ist sicherlich unschlagbar ..

 

 

Andreas (andreas@lonereviewer.de)

Webseite der Band: www.koenigwerq.de

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Mathias Kiefer; Credits: Bilder von Benjamin Wolf

 

P.S.: Die Redakteure großer Tageszeitungen hatten es leider auch nach dem Vorentscheid noch nicht gemerkt. Scheinbar waren ihre Ohren verkleistert und so blieb dort nur der Kommentar über die hochschwangere Sängerin. Andere glaubten ein schwaches Stimmchen bei Königwerq bemerkt zu haben. Nanana, habt ihr da genau hingehört oder habt ihr mal auf Viva gezappt und es nicht gemerkt? Dania König ist Dozentin für Stimmbildung an der Mannheimer Musikhochschule und das nicht von ungefähr. Und die von mir sonst so geliebte Wochenzeitung Die ZEIT hat ihre Inkompetenz in Sachen Popmusik leider wieder bewiesen, indem das Unschlagbar-Textfragment „und wenn ich’s morgen verlier“ als merkwürdiger Textteil hingestellt wurde. Liebe ZEIT-Redakteurin, dieser Halbsatz bezieht sich nicht auf das noch ungeborene Kind der Sängerin, sondern auf das Gefühl der Unfehlbarkeit an einem perfekten Tag. Wer hören kann oder alternativ im Web bereitgestellte Texte lesen kann, und im Gesamtkontext interpretieren kann, ist besser dran ...

 

 

[Home] [Impressum] [Über uns] [Aktuelles] [Update-Archiv] [Konzerte] [CDs/LPs] [DVDs] [Quickies] [Top-Listen] [Audio-Tipps] [Kolumne] [Galerie] [Links]