Tito & Tarantula
(Versmannkai, Hamburg Harley Days 2005)
- Der Weg zum Fest -
An meinem freien Tage ließ mich der morgentlich - genüsslich von einer Tasse Kaffee begleitete - sorgenlos schweifende Blick über die Kulturseiten einer grossauflagigen Tageszeitung auf einen Artikel verleiten, mit dessen Inhalt ich eigentlich nicht so viel am Hut habe:
Die Harley Days 2005 standen vor Hamburgs Hafen-Pforte.
Lederklufts, Kopftücher, Rauschebärte, Tätowierungen, Jim Beam, Sozius-Hasen in engen Lederhosen und natürlich Motorräder - eigentlich doch ganz nett anzuschauen das Alles, aber noch nicht völlig reizend;- wären da nicht die "nebenher" im Festival-Programm angesetzten Konzerte ;)
Ich also gegen 22 Uhr abends vorbei an den zahlreichen Fress- und Merchandise-Ständen auf der Suche nach der "Harley-Davidson-Bühne" im südlichsten Süden Hamburgs, am Versmannkai, fernab der Zivilisation - mitten im Freihafen (nur schwer zugänglich und mit Geduld erreichbar).
Das Line up für´s gesamte Wochenende bestand aus bekannten und weniger bekannten Musikgrössen des Southern-, Blues-, und Hardrock-Gefildes. Lake, die "ersten" Whitesnake(s) und manch andere sollten das Innere; das weiche Rocker/Biker-Herz zum lodern bringen.
Ich selbst bin wegen Tito & Tarantula "angereist". Die Band, die ich damals 1998 - nach Betrachtung des Gruselkults "From Dusk Till Dawn" - bereits in einem Hannoverschen Club in erster Reihe folglich geniessen wollte und auch durfte.
Ihre Tour kurz für einen Tag unterbrochen, um extra in den Norden zum Harley-Festival dazu zu stossen (wo Rocker sind, da darf ein Tito nicht fehlen!), war es dann um 23 Uhr soweit. Ja, hier in der abgelegenen Container-Walachei ist solch eine späte böse Musiziererei noch erlaubt (siehe dazu auch die Kolumne über die kurzen Hamburger Open-Air-Live-Musik-Nächte). Die einzigen, die sich hier über zu laute Töne beschweren könnten, wären der Hamburger Stint, der Geist Störtebekers, die Hafenarbeiter und Containershipper; diese sind aber sicherlich allesamt froh über jegliche Abwechslung auf dem Festlande!
- Das lustige Vorprogramm -
Im Vorprogramm trat noch die langjährige Bassistin und Back-Vocalistin Io Perry als Support auf, und stellte ihr von dem musikerfahrenen (über 20 Jahre im Geschäft befindlichen) Tito Larriva produziertes Album - diesmal an der E-Gitarre - in aller Kürze aber mit leider weniger Würze vor. Ihr späteres nachträgliches "Hinzustossen" beim Zugabeblock von Tito & Tarantula war dafür von besserer Qualität und weniger entbehrlich - der Solo-Gedanke bleibt so wohl nur von kurzer Dauer.
Nach dem kurzen Auftritt folgte die erste grosse Lachnummer im nahesten Sinne. Eine kurze von dem Howard Stern Hamburg´s Andreas "AC, Talk to me!"-Clausen (106.8,Mhz - "das neue Alsterradio")angekündigt "heisse (!!)" Stripshow der Doll House-Girls "sollte" folgen. Es wurde jedoch zum feinsten "Kaschperletheater für Erwachsene", das in diesem Bericht nicht unerwähnt bleiben soll (leider gibt es hierzu aber keine Photos, ich war zu sehr mit Lachen beschäftigt):
Zu eingespielter Musik von Manowar (Warriors Of The World United) verspätete sich die als "Teufelchen" verkleidete "Dame" Nr. 1 um etwa zwei Minuten. Nachdem sie ihre schwarze Kutte fallen liess, ging es gleich erstmal zurück zum Bühnenrand, um nach einer Minute das Feuer ihrer Fackel vom sichtlich überforderten Roadie angezündet zu bekommen. Das Pendant, der Engel (also Dame Nr. 2) stand schon fröstelnd - mit einer nervösen Zigarette in der Hand - im Hintergrund und wartete auf seinen parallel geplanten Auftritt. Die ersten freudigen Lacher übertönten die Klänge Manowars (was was heissen will). Naja, das ganze ging dann so irgendwie weiter. Irgendwann war das Band von Manowar dann zu Ende, nur die eigentlich zeitlich "abgestimmte" Schmuddel-Show nicht so ganz. Schon irgendwie lustig solch eine Stripshow ohne Musik: Das Publikum bemerkte ob ihrer Macht des sich plötzlich lautstark Präsentierenkönnens und brachte die bekannten unterschichtigen aber an dieser Stelle durchaus passenden Schmuddel-Ausrufe hervor, die man hier jedoch nicht weiter vorzustellen hat. Nach dieser überaus lustigen Einlage jedenfalls (vielleicht muss ich als gewonnenes Fazit wirklich mal ins Doll House auf der Grossen Freiheit, wenn ich Lust auf Komödie habe) war es dann soweit und es folgte der Moment, für den ich den weiten Weg eigentlich gemacht habe.
Nach Sex und Drugs folgte nundann das eigentlich Wichtige: Rock N´Roll (!!!)
Vorhang also endlich auf für Tito & Tarantula !
Nun war das von seiner Art her ziemlich liebevolle "Bikervolk" auch bester Dinge und freute sich ob der kommenden Musica del Mexico. Schön, dass der Rock hier am Abend eben doch den höheren Stellenwert besitzt, als bloß blanke, wackelnde Popöchen! Für die Anhänger von "wabernden Backen" verwies Andreas Clausen noch schnell auf den Kiez,- jedoch, keiner bewegte sich - es nützte also alles nichts, die Leute wollten Tito:
"Let the real Show start, NOW!"
- Who needs the Kiez ?! -
Tito Larriva, der gebürtige Mexikaner, der schon preis-prämierte Filmmusiken für u.a. "Der Schrei des Schmetterlings" sowie für Wim Wender´s "The Million Dollar Hotel", Oliver Stone´s "U-Turn", und Robert Rodriquez´/Tarantino´s "Desperado" und From Dusk Till Dawn" schrieb, und auch selbst als Schauspieler in zahlreich bekannten Filmen auftrat, begrüsste uns mit ein paar Worten auf Deutsch und die Band legte alsbald vollblütig, durch ihre laufende Tour bestens eingespielt, mit ihrem zeitlosen "Wüsten-Rock" los. Der sehr korpulente Drummer, der uns beim Soundcheck mit seiner tiefen Baßstimme schon gegen 22.10 Uhr eine heitere Animations-Einlage brachte, wuchtete in die Drums, der Blues-Gitarrenvirtuose (der mich äußerlich immer irgendwie an Mickey Rourke erinnert, aber Peter Atanasoff heisst) virtuierte und die neue (!) Bassistin (die ich nebenbei erwähnt trotz leichter Pfunde um die Hüften herum 1000mal erotischer fand, als die verbraucht wirkenden Nackedeis zuvor) fing die verliebten Blicke eines jeden männlichen harten Kerls vor Ort ein und liess auch das kühlste Herz liebevolles Feuer fangen
- DA war Erotik im Spiel (!!).
- Das Clubfeeling -
Und das Schöne daran: diese knisternde Erotik, die von der Bassistin ausging, ging in den kratzigen Rock über: Deftiger, rockig markanter und ein sehr dreckiger Sound mit reichlichen krächzenden Spielereien und lauthalsen Ausrufen und Eijeijeiies, zum Hüpfen einladenden Beats und zum Mitwippen und Mitnicken anregenden Brücken und Beats. So muss ein Rockkonzert verlaufen. Da schaut man auch über die fehlende Stimme von Tito hinweg, die eigentlich nie da war. Wettgemacht wird sie, durch Charme, Feeling und das gewisse authentische Etwas, dass uns Tito & Tarantula bei ihren Shows liefern: "The Sound kicks ass!"
Hin und wieder waren es aber auch die witzelnden Interkationen mit dem Publikum. So wurde der im Backstagebereich herumgereichte Schnaps bemängelt und als dem heimischen Tequila untergeordnet eingestuft. Die Vermarktungsidee eines deutsch-mexikanischen Mixes namens "Schnequila" kam dem guten Manne mit dem tiefschwarzen Blick in den Sinn (schnell Patent und Markenschutz beantragen!).
Der Rocklevel wurde stetig oben gehalten. Vor der Zugabe gegen 24.00 Uhr (eigentlich Programmschluss) folgte das erwartete "After Dark" (bekannt geworden im Zusammenhang mit Salma Hayek´s Hüftkreiselns in dem Roadmovie/Horrorfilm "From Dusk Till Dawn") mit dem kultigen Gitarrenlick zu Beginn des Songs, der bereits auf einer Ebene mit dem Melodie-Vorspiel eines traditionellen "My Girl" steht.
Während der bekannten "Brücke" im Mittelteil forderte Tito einzelne Besucher auf, eben die Hüften schwingen zu lassen. Sichtlich Gefallen daran gefunden, bat die Band eine Frau im Rollstuhl auf die Bühne, die mit ihrem Gestell Pirouetten drehte und mit den Armen in der Luft die Melodie nachspielte. Eine nette Geste, die von Band und Publikum johlend und klatschend aufgenommen wurde. Schnell noch ein Kuss von Tito auf die Wange der Frau und weiter ging´s. Weiter ging´s mit Fans, die diese Aktion als "Einladung" verstanden, und so gesellten sich - an den Securities durch den Backstagebereich vorbeigeschlichen - so einige illustre und sehr betrunkene Rockergesellen auf die Bühne, um mit der Band im Takt mitzurocken. Ein Schlaks in Harley-Kluft becircte am Rande und auf Knieen fordernd die Bassistin, die sich hinter ihrer Bassgitarre zu verstecken wusste. Ein anderer stellte sich neben Tito ans Mikro, der nunmehr Platz machte und dem übereifrigen Fan die nächste Textzeile bei der Zugabe "Angry Cockroaches" überliess. Dieser verdaddelte sich aber dermaßen, dass die Band ins gemeinschaftliche Lachen verfiel. Der Fan beliess es beim Anheizen der Fans, dem einbeinigen Posieren auf den Monitor-Boxen und dem Spielen von Luftgitarren. Den zunächst amüsierten Securities, die das Treiben eine Weile vom Bühnenrand beobachteten, wurde es dann doch langsam zu bunt, als immer mehr euphorisierte Extreme den Weg zur Stage suchten, und hievten einen nach dem anderen langsam in Richtung Bühnentreppe - aber alles sittlich und freundlich und mit einem scheinbar anerkennenden Klaps auf die Schulter, so nach dem Motto: "Gut gerockt, Grosser!" ;)
- Das Fazit -
Insgesamt war es ein lustiger und mitreissender Abend, der den langen Hinweg belohnte. Das amüsante Vorprogramm mit lauter Bühnenpannen (die immer wieder zu einer gewissen, nicht bösartig-gemeinten Erheiterung beitragen), eine Prise wahrer und sinnlicher Erotik in Musik und Erscheinung und nicht zuletzt eine gute stimmungsvolle siebzigminütige Rockshow im Clubstil und obendrein zum freien Eintritt (!) machten diesen Freitag Abend zu einem wirklich sinnvoll genutzten Genussmoment.
Danke Tito & Band, danke Harley Davidson und Anhänger, danke Doll House-Girls (selten so gelacht) - wir sehen uns nächstes Jahr ganz bestimmt alle wieder...
Links:
Offiziell:
www.titoandtarantula.com
Interessante und ausführliche Infos unter:
www.elektrolurch.com/spezial/ titoandtarantula/TitoandTarantula.htm
Ferner relevantes:
www.dollhouse.de
www.106acht.de
www.harley-davidson.de
(a.j.)
[andre@lonereviewer.de]
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