Stefan Gwildis
04.06.2007 // Admiralspalast, Berlin // Heut ist der Tag! [Zusatztermin]
Markante Texte, manchmal ironisch-augenzwinkernd, manchmal ins Pathetische tendierend, waren seit je her das Markenzeichen von Bruder Stefan. Früher bekannt als Stefan Gwildis und noch früher bekannt als ... nun, davor eher großflächig unbekannt. Das änderte sich schlagartig, als der Tausendsassa anno 2003 mit dem Album neues Spiel nicht nur mit einer ersten kompletten Einspielung von Soulklassikern in deutscher Sprache überraschte, sondern mit dieser auch erstmalig größere Resonanz im deutschsprachigen Raum erzeugte. Kurios, da sich nach dem Boom in dem 70/80ern die Geister an "auf deutsch nachgesungenen Hits" schieden und die Deutschquote im Radio auch eher den Charakter eines Damoklesschwertes hat. Nichts desto trotz war dem bekennenden Hamburg-Barmbeker nach all den Jahren endlich der große Erfolg beschienen, den er schon seit langem verdiente. Die den Genitiv umgehende Nachfolgeplatte nur wegen dir (2005) und eben die aktuelle heut ist der Tag (2007) entwickelten sich mit guten Verkaufszahlen zu seinen bisherigen Karrierehöhepunkten. Aber das ist wohl erst der Anfang. Los Stefan: let's did it!
let's did it! - die Zugabe von Bruder Stefan
Nun befinden wir uns im Jahre des Herrn 4 n.G. (nach Gwildis). Montag, 04.06.2007 Admiralspalast, 20:08 Uhr, Ortszeit. Im Halbdunkel betritt ein zufriedener Stefan Gwildis den ordentlich gefüllten Admiralspalast zum zweiten Male im Rahmen der "Heut ist der Tag!"-Tour. Als der Begrüßungsapplaus abebbt beginnt er sogleich den mitgebrachten virtuellen Kontrabass anzuschlagen und sich auf diesem zu allem Anschein nach bist du's zu begleiten. Wirklich toll intoniert und eine schöne Idee für die Eröffnung.
Da er noch immer ein Unterhaltungstalent ist, nimmt er erst einmal mit einer "spontan" improvisierten Nummer das Saalpublikum spielend für sich ein. Nach seinem vereinzelt schon bekannten "das find ich gut"-Zwischenspiel (auch bzgl. der Orte aus denen das Publikum des heutigen Abends angereist ist), lässt er seinen Gedanken zu Übergangsjacken freien Lauf.
Da die Wege des Herrn unergründlich sind, spielt ihm dieser eine weitere Gelegenheit zu, seine Spontanität unter Beweis zu stellen. Der angesprochene Herr in diesem Fall war ein Zuspätkommer (nehmst Frau), der sich dann auch prompt durch die halbe Reihe im ersten Block durchdrängeln musste. Ein gefundenes Fressen also für den Showman auf der Bühne.
Nun stellte er die Band bei deren Betreten der Bühne gleich einmal vor, schnappte sich seine rote Gitarre und los ging es mit dem fröhlichen Gutelaunetiteltrack heut ist der Tag. Das nachfolgende ebenfalls neue Stück tanzen übern Kiez rockte dann gleich leicht & locker weiter, denn jeder kennt die Originalversion (oder ein anderes englischsprachiges Cover) und während Stefan mit dem Tamburin umherspielt, macht der ganze Saal schon begeistert mit und ist kaum auf den Stühlen zu halten. (Auf eine textliche Anpassung a la der Tanz um das Brandenburger Tor, den Fernsehturm oder ähnliches wurde verzichtet.)
Dann wurde leider das Tempo herausgenommen und in meinen Ohren war es schon so etwas wie Stilbruch, jetzt das sehr ruhige, wenn auch gefühlvolle Amelie zu bringen. (Die Stimme von Stefan Gwildis hörte sich auch etwas mitgenommen an, aber vielleicht bin ich auch nur so negativ eingestimmt, weil diese das meiner Meinung nach mit Abstand schwächste Stück des Albums ist.) Das Stück konnte mit einem Mirko-Michalzik-Gitarrensolo und auch einem Solopart von Julia Schilinski glänzen.
"Kommen wir nun zum letzten Stück des Abends" war die nächste Ansage von Bruder Stefan, welche er wieder mit mehreren Stöhnern der Überanstrengung unterstrich. Es konnte einfach nicht mehr weitergehen. ... Oder doch? Er schien sich noch einmal aufrappeln zu können ..."do you want some more"? Durch die lautstarke Bekundung dessen angestachelt ließ er es sich nicht nehmen, den Verenglischungswahn anzuprangern. Da wird aus einem "coffe to go" schon einmal ein "kleiner Becher Bohnenkaffe zum weglaufen". Das ihn aber am meisten prägende war die verunglückte Phrase: "let's did it", die ein nichtenglischsprachiger Künstler zwischen seinen englischen Liedern rausgehau'n hatte. (Anmerkung: Mittlerweile ist klar, dass Stefan Gwildis so sehr davon fasziniert war, dass dieser Kultsatz nicht nur auf seinen T-Shirts verewigt ist, sondern die tourzugehörige Live DVD+CD auch diesen Namen tragen wird. Da kann man ja nur sagen: "He had it didden so!") Konsequent spielte er als 4. neuen Titel immer noch die Chronologie des Albums einhaltend den 4., nämlich irgendwas geht immer zu welchem er erneut in die Saiten griff.
Nachfolgend nahm er die akustische Gitarre, während es um schöner ging. Apropos: Seine Mädels (Regy Clasen, San Glaser, Julia Schilinski, Marion Welch) durften jetzt zeigen, was sie konnten. Auch Martin Langer konnte ein Keyboard-Solo einstreuen. Ein toller Song der Platte.
Dem ersten älteren Lied des Abends (welches er mit der Band spielte) ging die Lobpreisung des Bruder Ralf voraus, der sich dann auch bei wunderschönes grau gut in Szene setzen konnte. Euphorisiert durch den großen Publikumszuspruch suchte Bruder Stefan den direkten Kontakt zu seiner Herde und stieg auf einen Platz in der ersten Reihe, um den Fans noch näher zu sein. (Für den dreckig gemachten Stuhl entschuldigte er sich hinterher auch ganz artig.) Es gab auch eine schöne Oh-Yeah-Reprise. Das alles war aber dann zuviel für den Chefprediger, denn die Rückkehr auf die Bühne sollte sich als schwieriger gestalten als gedacht. Erst durch die tatkräftige Unterstützung von Bruder Peter konnte er wieder seinen Kommandostand erklimmen. Ein Klassiker.
Weiter ging es mit Psalm 342, von dem dann die Verse 1, 2 und 8 dargeboten wurden. Soll heißen, allein Stefan Gwildis & Achim Rafain am Bass bestritten die ruhige Geschichte vom Anker werfen - Segel setzen.
Für das letzte Lied vor der Pause kamen bis auf die Damen sämtliche Musiker zurück auf die Bühne und es gab die deutsche Version vom yellow moon der Neville Brothers. Auch ein paar Versatzstücke von bleib so wie du bist konnte man heraushören. Als Outro gab es aber noch einen Knaller, nämlich das schon bekannte Mülltonnen-Trommel-Solo, bei welchem sich Stefan Gwildis wieder voll ins Zeug legte. Sogar für eine Überraschung für die Leute die dieses schon kannten war gesorgt, denn der Konfettiregen am Ende war neu.
Nach 20 Minuten Pause ging es dann pünktlich 21:34 Uhr mit einem Anplackt-Medley weiter. Bei das kann doch nicht dein Ernst sein waren auch die Damen wieder mit dabei und trotz der kürzeren Version gab es glücklicher Weise genügend Zeit, um bei Papa will da nicht mehr wohn' sowohl ein Trompeten-Solo als auch ein weiteres Gitarren-Solo mit einzubauen. Die Suchscheinwerfer, die man spätestens seit der 2005'er Stadtpark-DVD kennt, durften bei diesem Lied natürlich auch nicht fehlen.
Obwohl schon im Intro zu schön, schön, schön animierte Stefan die Fans noch ein weiteres Mal ("do you really want some more") und alle machten dann gern bei diesem placked-Blues mit.
Als ein helfender Kabelmann dann etwas an den Gitarren richtete (und seinen Extraapplaus bekam) kommentierte Stefan dieses in bester Manier einer Sportberichterstattung, die mich sehr stark an Andreas' lonereviewerischen Aufzug des einen Gwildis-Berichtes erinnerte - wie klein die Welt doch manchmal ist.
Nach wie ein richtiger Mensch erzählte Stefan seine Fesselballongeschichte, welche die Ankündigung für sie läßt mich nicht mehr los war.
Zum Abschluss des Hauptteils ging es dann noch einmal in die Vollen. Zuerst machten wieder alle freiwillig bei laß ma' ruhig den Hut auf mit und jetzt standen die eigentlich an den Sitz gefesselten Zuschauer bereitwillig auf und klatschten, sangen & tanzten nach Herzenslust mit.
In gleicher Manier folgte das als 'Lied für Männer' angekündigte geht klar! (Welches Lied sollte nach dieser Einleitung auch sonst kommen?!) Leider war die Akustik recht schlecht bei diesem Stück, aber da alle in Partylaune waren und vereinzelt mitsangen, war es nicht so dramatisch. Die Elbhorns glänzten durch Soli, ebenso wie fast alle anderen; Ralf Schwarz, Pablo Escayola und Martin Langer hatte ich mir gemerkt.
22:19 Uhr, nach dem überreichten Blumenstrauß, kam erneut das für diese Abend fast schon obligatorische "do you want some more" und es folgten in dieser ersten Zugabe die Klassiker sie ist so süß (wenn sie da liegt und schläft), das herrliche Mama mag ihn sowie der Mitschnipper nur in meinen Gedanken. Bei Letzterem verschwanden so nach und nach alle von der Bühne, so dass am Ende nur noch Stefan mit dem schnippenden Publikum zugegen war und sich dann als letzter der Aktiven zurückzog (während das Schnippen noch eine Weile anhielt).
Die letzte Runde begann Stefan allein, mit der allseits immer wieder gern gehörten Einkaufshymne Devotionalien. Lediglich mit Mirko an der Gitarre unterstützt erschallte zum Abschluss dieses kurzweiligen Abends das emotionale laß mich nicht allein heut Nacht.
Fazit: Um den Meister zu zitieren: "Ganz ehrlich, wenn einer hier den Laden schmeißt, bin das ja immer noch ich."
Recht hat er. Wenngleich die Anzahl der Ausrufe von "Brothers & Sisters" und "Hallelujahs" stark reduziert waren, bleibt Stefan Gwildis weiterhin der Soulbrother #1 in Deutschland. Die Elbhorns ersetzten die Boxhorns, was die Gesamtqualität des Abends aber nicht schmälerte. Die Band und ihr Chef waren gut aufgelegt und der Funken sprang rasch über. Einzig die vereinzelten Technikprobleme und dass das Mikro von Stefan Gwildis mitunter ungünstig eingestellt war (so dass man ihn manchmal kaum verstand) waren Wehrmutstropfen in einer ansonsten rundum gelungenen Show. Eine Show, die über 2 Stunden ging, aber dennoch bei weitem nicht alle Lieder beinhaltete, die noch gespielt hätten werden können. We really want some more: Bis zum nächsten Mal.
PS: Danke an Andreas & André.
(Text + Bilder: l.j.) www.el-jay.de
## Besetzung ##
Stefan Gwildis - Gesang, Gitarren, zusätzliche Perkussion
Stamm-Musiker:
Martin Langer - Schlagzeug
Mirko Michalzik - Gitarren
Ralf Schwarz - Tasten
Matze Kloppe - Tasten
Achim Rafain - Bass
mit:
Pablo Escayola - Perkussion
Regy Clasen - Gesang
San Glaser - Gesang
Julia Schilinski - Gesang
Marion Welch - Gesang
sowie:
die Elbhorns
Tim Rodig - Saxophon
Michi Leuschner - Trompete
Jon Welch - Posaune
## Setlist ##
01a. allem Anschein nach bist du's (Solo)
01b. (das find ich gut + Bandvorstellung)
02. heut ist der Tag*
03. tanzen übern Kiez*
04. Amelie*
05. irgendwas geht immer*
06. schöner*
07. wunderschönes Grau
08. Anker werfen - Segel setzen*
09. großer Mond* (inkl. Tonne & 'bleib so wie du bist')
- Pause -
10. Anplackt-Teil (Medley):
a. mitten vorm Dock Nr. 10
b. das kann doch nicht dein Ernst sein
c. wir haben doch jeden Berg geschafft
d. Papa will da nicht mehr wohn'
e. schön, schön, schön
11. wie ein richtiger Mensch*
12. sie läßt mich nicht mehr los
13. laß ma' ruhig den Hut auf
14. geht klar!*
Zugabe #1
15. sie ist so süß (wenn sie da liegt und schläft)
16. Mama mag ihn
17. nur in meinen Gedanken
Zugabe #2
18a. Devotionalien
18b. laß mich nicht allein heut Nacht (akustisch)
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