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Santana, Color Line Arena Hamburg, 2.9.2003
Carlos Santana in der Color Line Arena, das fanden wir und Nachbarn von uns irgendwann bei NDR2 und bei Eventim angekündigt. Anderthalb Monate vor dem Konzert entschlossen wir uns, das Konzert zu besuchen. Spät, zu spät für gute Plätze, wie sich später herausstellen würde.
Und Color Line Arena, da war doch was? Richtig: Monate vorher hatten wir in anderer "Besetzung" ein Konzert von Sir Paul besucht und waren auf den letzten Autobahnkilometern vor der AOL-Arena in einen Megastau gekommen - und fast nicht rechtzeitig zum Konzert angekommen. Und da die AOL-Arena in Diskuswurfweite von der Color Line Arena entfernt liegt, wusste uns, was uns blühte.
Weit gefehlt: Dieses Mal lief alles besser. Unsere Nachbarn, die Fahrer an diesem Abend, waren Hamburg-erfahren und fuhren mitten durch die Innenstadt. Wir waren rechtzeitig an der Color Line Arena, bekamen einen offiziellen Parkplatz auf einer noch fast völlig leeren Fläche an der AOL-Arena. Um 18:30 Uhr bekamen wir Einlass in die Halle.
Vor dem Konzert war also noch genug Zeit, um etwas "Unsinn" zu machen oder zur "Volksbelustigung" beizutragen - dabei hatten wir nur Hunger und wollten in der brandneuen Color Line Arena noch einen Snack essen - wir schmadderten uns aber eher durch die angebotenen Döner - für kulinarische Rahmenversorgung bekommt die Color Line Arena also ein glattes vierbisfünf als Note.
Im Oberrang gibt es nämlich einen Döner-Stand, bei dem Döner hergestellt werden, die im Stehen nicht essbar sind. Das Fladenbrot um den Inhalt war so trocken, dass es beim ersten Biss auseinanderbrach. Der Inhalt ergoss sich dann auf Theke, Fussboden, ins Bierglas .. ich hatte dann immerhin noch Bier mit Zaziki- und Tomatengeschmack .. Unsere Nachbarin amüsierte sich noch köstlich über meine Oberschmadderei, Sekunden später hatte sie ihren Döner-Inhalt auf ihrer Kleidung :-)
Vor dem Konzert dachte ich noch "ob Carlos die Top 5 meiner bisherigen Konzert-Highlights durcheinanderwerfen wird"? Nein, dazu reichte es nicht, die Top 5 bleiben weiterhin unverändert, auch wenn Carlos Santana und seine Band von Spielfreude, Konzertlänge, Perfektion und Zusammenstellung der Setliste her sicher noch besser waren als die Corrs und Paul McCartney, etwa vergleichbar bei der Stimmung mit den U2-Konzerten, die ich von der DVD aus Boston kenne.
Aber unser Platz in der Halle, die Akustik in der Halle, die Vorgruppe und insbesondere der Santana-eigene Mixer haben ein besseres "Gesamturteil" verdorben.
Als die Vorgruppe (Outlandish, die haben den Hit Aisha, sind aber wohl eine reine One-Hit-Wonder-Studioband -> grottenschlecht) schlecht, völlig übersteuert und basslastig war, trösteten wir uns noch "das war beim Corrs-Konzert auch so, bei der Vorgruppe brauchte man Tempos in den Ohren und hörte nur einen Klangbrei, hinterher waren die Corrs ohne Ohrenstopfen gut anzuhören und der Mix zwischen den einzelnen Instrumenten war glasklar und perfekt".
Leider nicht so bei Santana. Der Mixer zog die dreiköpfige Percussion-Section und den Bassisten so hoch, dass die Bässe sich in der Halle hin und her überschlugen. Gitarre, Keyboards und Gesang kamen schwach, fast aus dem Off. Sowohl Carlos Santana als auch einer der Sänger machten oft Handbewegungen zum Mixer, um das zu verändern, der brauchte aber insgesamt so 70 bis 80 Minuten, bis er es einigermaßen geregelt bekam.
Tja, das Corrs-Konzert als Maßstab: 1. Reihe, Sitzplatz, genügend Fußraum, zwei Armlängen entfernt von einem Bandmitglied, glasklarer Sound, tolle Musik, Improvisationen bei einigen Titeln, die den Abend im wahrsten Sinne des Wortes einmalig machten, ... das will erst mal nachgemacht sein ..
Unser Platz: Wir saßen im Oberrang erste Reihe, leider in Höhe des HINTEREN Drittels der Bühne, so dass wir die Leinwand hinter der Bühne, auf die Kamerabilder projiziert wurden, wegen des flachen Winkels nicht einsehen konnten. Immerhin: Der Blick von der Seite und von weit oben gab uns einen guten Überblick über das Geschehen auf und hinter der Bühne. Wir konnten zum Beispiel hinter die "Wand" aus Schlagzeugen, Congas und weiteren Percussion-Instrumenten schauen und beispielsweise auch die Beinarbeit des Schlagzeugers bewundern. Blöde: Die Color Line Arena hat in der Mitte unter der Decke einen Videowürfel mit Leinwänden in jede Richtung. Aber die Bilder wurden dort nicht gezeigt.
Das gute am Konzert: Eine sehr ausgewogene Setlist von 1969 bis 2003. Einige der Lieder wurden zu 10-Minuten-Kunstwerken ausgewalzt mit vielen Soli. Im Schlussdrittel wuchs die Begeisterung ins Unermessliche, angefangen von Hits wie "Smooth" und "Yaleo" (von Supernatural), in die ein 5-bis-10-Minuten-Schlagzeugsolo eingebaut wurde. Obwohl ich ein harter Ian-Paice-Fan bin (Drummer von Deep Purple), musste ich zugeben, dass ich mit Ian Paice zwar einen besseren Schlagzeuger kenne, aber noch nie ein (auch dramaturgisch) besseres Schlagzeugsolo gesehen habe.
Nach einigen Minuten sehr dynamischen Schlagzeugsolos gab es einen schnellen Trommelwirbel zur ebenso schnellen Fußarbeit an den Bass-Drums. Während der Trommelwirbel sich stetig verlangsamte, blieb das Tempo der Bassdrums gleich. Schließlich kamen die Trommelschläge so langsam, das das Publikum mitklatschen konnte. Der Drummer, Dennis Chambers, ärgerte uns dann, in dem er plötzlich einen Schlag ausließ, das Publikum aber im Takt - allein - weiterklatschte, Dennis feixte. Dann wurde es noch langsamer, schließlich verhungerte ihm der letzte Schlag in der Luft (während die Füße unverändert schnell arbeiteten) .. die "Message" war klar: Akku leer beim Drummer. Was war zu tun? Während der Bassdrum-Wirbel weiterging, trocknete sich Dennis Chambers erst einmal den Schweiß mit einem Handtuch ab. Danach trank er eine Flasche Mineralwasser und warf die leere Flasche schließlich gekonnt hinter die Bühne. Und nun das ganze rückwärts: Der Trommelwirbel wurde wieder schneller und schneller, das Publikum war begeistert.
Überhaupt, die Spielfreude: Latin-Rock zeichnet sich ja durch einen unvergleichlichen Percussion-Teppich aus. Rechnet man die beiden Sänger dazu, die meist irgendein Percussion-Instrument in der Hand hatten, gab es in der Band FÜNF Percussionisten. Und auch dem Rest der Band machte es sichtbar Spaß.
Die Band-Vorstellung: Biggi und ich führen ja einen Wettbewerb in der Bewertung der Bandvorstellungen in Konzerten. Bei mir führt jetzt (vor den Corrs und Celine Dion) Santana. Im letzten Lied, Novus, einer Hymne von der letzten CD, die dort von Placido Domingo gesungen wurde - tolle Leistung des aktuellen Santana-Sängers, der die Tenorstimme wirklich "imitieren" konnte - ging Carlos Santana gegen Ende des Liedes zum Mikrofon und stellte seine Bandmitglieder einzeln und ausführlich vor, die daraufhin noch ein kurzes Solo spielten, dann aufstanden, sich verbeugten, und die Bühne verließen. Interessant, wie sich das im Mittelteil sehr rhythmische Lied dann zum Schluss in ein Bass-Orgel-Gitarre-Stück OHNE Percussion verwandelte. In der folgenden Reihenfolge wurde die Band vorgestellt (und in dieser Reihenfolge setzten dann auch die Instrumente "aus"):
Sänger: Tony Lindsay
Sänger: Andy Vargas
Posaunist: Jeff Cressman
Trompeter: Bill Ortiz
Congas-Spieler: Raul Rekow (der alte Haudegen, ein Ur-Santana)
Timbales-Spieler: Karl Perazzo
Schlagzeuger: Dennis Chambers
Bassist: Myron Dove
Zum Schluss stellte Carlos seinen Keyboarder vor (Chester Thompson, auch schon seit 20 Jahren bei Santana), der aber sitzenblieb und seinerseits Carlos Santana vorstellte. Der wiederum stellte seine Gitarre ab, ging von rechts nach links über die Bühne, bedankte sich beim Publikum, ging dann von der Bühne - das Hallenlicht ging dann zusammen mit den letzten Keyboard-Tönen an.
Kleinigkeiten: Interessant, wie Carlos seine "Guitar picks" verschenkte: Er beauftragte in einem Lied, vorn am Bühnenrand stehend, einen von den Roadies mit dieser Aufgabe, der die Picks dann nach Anweisung von Carlos verteilte, meist an junge Damen, die auffallend gut zur lateinamerikanischen Musik getanzt hatten.
Zur Konzertlänge: Als nach dem Dreierpack der alten Hits "Black Magic Woman", "Gypsy Queen" und "Oye Como Va" das reguläre Konzert beendet war, schauten wir uns ungläubig an: um 21 Uhr hatte das Konzert begonnen, jetzt war es OHNE Zugaben bereits 23:05 Uhr. Nach den Zugaben war das Konzert dann um 23:30 Uhr vorbei. Das hatte schon Paul-Mc-Cartney-Dimension :-) und ging deutlich über die sonst üblichen Konzertlängen von 70 bis 100 Minuten hinaus.
Carlos Santana, einen lohnenswertes Konzert, trotz trockener Döner in der Halle und trotz eines tauben Santana-Mixers ..
Die Set-List:
TRANCE GLOBAL NATION INTRO
1) JINGO
2) VICTORY IS WON
3) CONCERTO / MARIA MARIA
4) FOO FOO
5) AYE AYE AYE
6) PUT YOUR LIGHTS ON
7) WE GOT LATIN SOUL
8) SIDEWAYS (mit Gaststar Citizen Cope)
9) TABOO / OUT OF THIS WORLD (letzteres wurde in Hamburg als Premiere zum ersten Mal gespielt)
10) WISHING IT WAS
11) INCIDENT AT NESHABUR
12) SPIRITUAL / YALEO (DENNIS CHAMBERS SOLO)
13) APACHE / SMOOTH / DAME TU AMOR
14) BLACK MAGIC WOMAN / GYPSY QUEEN
15) OYE COMO VA
- Zugabe -
16) BOOGIE WOMAN / GOOD MORNING LITTLE SCHOOL GIRL
17) NOVUS |
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