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 Regy Clasen (Berlin)

Regy Clasen

Tour: "wie tief ist das Wasser" // 18.11.2004 // Wühlmäuse, Berlin

 

Wie Quasimodo schlich ich nach diesem Konzertabend von dannen. Scheinbar mit einem Buckel ausgestattet, schleppte ich mich in vorn über gebückter Haltung durch den aufkommenden Regen Richtung U-Bahn. Schnellstmöglich, um meine kostbare Ware nicht unnötig zu beschädigen. Ein Poster von ihr, der themenrelevanten Esmeralda, also Regy Clasen, welches ich so gut es eben ging unter meiner Jacke verbarg und versuchte vor dem Regen zu schützen. Dieses Poster, welches für mich so besonders geworden war, da sie es mir persönlich signierte! Dadurch war es geschafft, einen - bis dahin schon einmaligen - Abend nach diesem Konzerthighlight einen willkommenen (aber total unerwarteten) Abschluss zu geben. Quasi eine weitere Zugabe. Das Sahnehäubchen. Schon alleine dadurch sollte der Abend eine besondere Erwähnung erfahren. Aber es gibt mehr, viel mehr, zu erzählen ...

(Anmerkung: Verdrängt waren die peinlichen Sekunden, als ich in ihrer Gegenwart kaum ein vernünftiges Wort rausbrachte, während sie die Widmung verfasste. Aber was hätte ich schon wichtiges oder nicht banal klingendes zu der Frau sagen können, deren Lieder mich vor wenigen Minuten noch derart bewegten, begeisterten, ja sogar stellenweise sprachlos gemacht hatten, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte?! Ich war halt immer noch baff.)

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Jetzt, fast zwei Wochen später, hab ich noch immer nicht die passenden Worte gefunden, um das Erlebte treffend zu beschreiben. Ich kann ja mit der Sachebene beginnen, um wenigstens die Fakten kund zutun ...

Ich kannte ja bis zum Konzert nur die beiden Songs "kann ich bleiben (heute Nacht)" sowie "wo ist zuhause", die es auf ihrer Homepage http://www.regyclasen.de als Live-Versionen zum kostenlosen downloaden gibt; neben Soundschnipseln aller anderen Songs. Somit war ich alles in allem nur geringfügig besser dran als André & Andreas ihrer Zeit, als sie im Februar die Songs erstmalig live hören konnten, ohne dass ihr 2. Album schon erschienen war. Ich kannte also nichts und wollte mich von Regy Clasen überraschen lassen, da sie mir ja ans Herz gelegt worden war. Somit saß ich ohne Informationen über sie oder ihre Band nur mit der ausgedruckten Trackliste ihrer beiden Alben in dem Saal der Wühlmäuse (ca. 300 Sitze?) und wartete gespannt auf die Dinge, die mich erwarten sollten ...

 

Normaler Applaus erschallte, als die ersten Mitglieder der Band auf die Bühne traten und dann sehr heftiger, als Regy Clasen mit ihren beiden Backgroundsängerinnen auftrat. Zwei Dinge schossen mir durch den Kopf: 1) Wissen die anderen mehr, oder warum gab es jetzt schon so lautstarken Beifall?! und 2) (obwohl es nichts zur Sache tut) Wow, die Frau sieht Klasse aus. Dann fing sie an zu singen und es war vollends um mich geschehen. Ich war von der ersten bis zur letzten Sekunde hin & weg. Glücklicher Weise hatte ich die Liste dabei, sonst hätte ich meinen "chronistischen Auftrag" komplett vergessen. Außerdem war sie viel zu begeisternd, als dass man sich großartig unterdessen hätte etwas aufschreiben wollen. Los ging es mit wo ist zuhause (Album: so nah, 2002) ... was dazu führte, dass sie damit schon die Hälfte aller Songs gespielt hatte, die ich kannte *g*. Ein ruhiges Lied, schön mit Contrabass (oder so) und eben mit fünf Musikern auf der Bühne. Was aber bei weitem nicht alle sein sollten, wie sie ja in dem Kurzinterview am Morgen auf "Radio 1" schon angekündigt hatte.

Ehrlich währt am längsten, somit kam es gut an, als sie nach diesem Opener meinte: „schön, dass ihr so viele seit ...", zumal sie ja auch seit ein paar Jahren nicht mehr in der Hauptstadt auftrat, wie sie weiter ausführte. (Backing-Vocals für Stefan Gwildis zählen dann wohl nicht mit?) Anschließend gab es mit lass es so sein ein Lied von der neuen CD „wie tief ist das Wasser“ [2004]. War mir egal woher, ich kannte ja eh nur noch ein Lied. *gg* Martin Meyer wechselte dafür an das Piano (oder Flügel?), welches er dann abwechselnd zum Keyboard bearbeitete.
Nun gab es den ersten Einsatz der Boxhorns in Gestalt von Lukas Fröhlich. Er unterstützte bei ergib dich am Flügelhorn. Komplett waren dann die Boxhorns, als es (im Rückblick betrachtet) das erste Highlight gab. Die Band war richtig super eingespielt und es gab eine wahnsinnig tolle Version von endlich. Auf der CD ist das Lied ja mit viel weniger Instrumenten eingespielt, aber jetzt war es zu einer wirklich funky Nummer mutiert. So richtig was zum mitgehen, aber leider war man in die Sessel gefesselt. Dennoch, der Song war ein Knaller und, obwohl ich ihn ja noch nicht vorher gehört hatte, einfach toll; auch vom Text her. Dann wurde es wieder etwas beschaulicher und Emre Akca kam vom Schlagzeug an die Trommel (Cajon?) vor. Die "Hardcore"-Fans jubelten schon und Regy konnte nur noch sagen „das kann nur zwei Sachen bedeuten ... und eine kommt jetzt“. Spontaner Jubel und ich merkte, dass ich noch ein "Outsider" war, da ich nicht wusste, was kommen wird. Anyway. Er legte den Beat unter Fischer, Fischer; jenem Stück, aus welchem die sinntragenden Zeile "wie tief ist das Wasser" stammt, die den Albumtitel stellt. Als dann noch ein Saxophon erscholl war der Hörgenuss perfekt ...

Wenn ich den Abend in Regy Clasens eigenen Worten rezitieren würde, dann wäre jetzt wohl die geeignetste Stelle. In schwindelig (immer noch das Cajon im Einsatz und das Publikum machte mit) heißt es ja u.a. „ich hab, seit wir zusammen kamen, nicht ein Wort geschrieben als Deinen Namen / zu Dir fällt mir nichts ein / bei jedem Gedanken an Dich wird mir schwindelig / mein Kopf verweigert sich / er zeigt mir nichts als Dein Gesicht". Das sagt es ja schon zu ziemlich gut. (Natürlich weiß ich nicht, was Regy Clasen alles mit ihrem Text verbindet, aber ich hab ihn einfach mal für meine Aussageintention uminterpretiert.) Aber neben ihrem Gesicht ist es ja vor allem die Stimme und deren Intensität und Glaubwürdigkeit, die mir noch immer Schauer über die Seele jagt, sobald ich an das Konzert zurück denke ...

Nun plauderte Sie aus dem Nähkästchen und eben, dass sie mit so nah ihr musikalisches Leben nach der Band "5 Live" fortgesetzt hat. Anschließend gab es noch ein Stück vom 1. Album und ich glaube mich zu erinnern, so etwas wie eine Querflöte gehört zu haben. Aber vielleicht war ich einfach blind. (War n dummes Wortspiel. Besser war die Textzeile, die ich mir sofort merkte: „deine Seele ist verreist / wer weiß, ob Ihr euch je wieder seht" - mehr als kongenial.) Ihr ambivalentes Verhältnis zu Berlin spiegelte dann das nächste Lied wieder, was sie ganz alleine am Flügel spielte. Die Stadt gehört dir. Wieder etwas für Gänsehautatmosphäre. Apropos ambivalentes Verhalten: Es hat sich zwar etwas gebessert, aber so richtig gern haben die Deutschen Lieder in deutscher Sprache nicht. Es sei denn es ist Blödelei. Aber "die Stadt" könnte eindeutig in die Kategorie gehören, in der auch u.a. "nur zu Besuch" (die toten Hosen) oder "der Weg" (Grönemeyer) zu finden sind. Die Songs, die Hitsinglepotential haben, wenn man nur einmal zuhören würde, statt nur ein Mal zu hören. Somit hätte sie sich meiner Meinung nach gar nicht rechtfertigen brauchen („ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel, aber wenigstens ist ein Lied draus geworden"), denn schöne Lieder müssen ja nicht immer positiv sein. Vor der Pause wurde mit ich fahr zu dir jedenfalls noch schnell (zur Sicherheit?) die Stimmung aufgehellt.

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In der Pause war zu sehen, dass auch ein paar Bekannte der Band im Publikum waren, denn mit denen unterhielten sich z.B. die Backgroundsängerinnen. Wie dem auch sein, nach der Pause und dem ersten Lied stellte Regy Clasen erst mal klar, dass es auch für sie ungewohnt war, vor einem sitzenden Publikum zu spielen und sie aufgrund dessen immer noch etwas befangen ist. Ich mutmaße mal, dass diese künstliche Distanz dazu beigetragen hatte, dass v.a. sie bis dahin noch nicht ganz so glücklich war, wie sie schon hätte sein können.

Nach einer kleinen Geschichte und einem weiteren Ausflug in die deutsche Grammatik ;-) kam dann die Zeit für einen Überraschungsgast. Ich hoffte ja anfänglich auf Stefan Gwildis, aber ihre Ausführungen ließen das sehr schnell nicht mehr zu. Schließlich betrat dann ihr Label-Boss Michy Reincke die Bühne. So spontan kannte ich ihn nicht, aber seine Stimme gefiel mir und auch die Art und Weise, wie er sich erst einmal vor dem anstehenden Duett äußerte. Zusammen sangen sie dann so schön kann keine Frau sein. Anschließend ließ Regy ihn alleine auf der Bühne und er gab nach einer interessante Einleitung unerreichbar nah zum besten. Beim nachfolgenden Duett, wo dann der „Piano-Mann“ und Regy Clasen wieder zurück waren, machten sie zusammen ihr Herz laut und das Publikum machte gern mit. Hat mir gefallen einen weiteren Künstler kurz zu erleben, der nach der NDW-Zeit noch "richtige" Musik macht.

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Dann folgte endlich das andere Lied, welches ich schon vorher kannte, nämlich kann ich bleiben (heute Nacht). Sehr tolles Songwriting und mit einem Boxhorn passend arrangiert. Schnell abkreuzen und dann den Moment genießen ... . Aber was war das? Man hatte sich einen netten Gag ausgedacht und ihre Jungs stellten sich dann für die Backings zur Verfügung, was ihnen Szenenapplaus einbrachte. Sie alberten dann auch während des ganzen Songs rum, was beim Publikum gut ankam und gelegentliches Gelächter provozierte. Wirkte auf mich, als wenn sie Regy dadurch leicht verunsicherten (da sie mit dem Rücken zu beiden stand und nicht so, was vor sich ging), aber das war nicht so schlimm. Ich war ja hin & her gerissen, ob des tollen Textes, auf den man ja dadurch nicht mehr so richtig achten konnte; aber dafür gibt es ja die Live-Versionen der Lieder zum immer wieder hören.

Grönemeyers Männer hatte sie (überraschend für mich) auch im Programm und wurde in einer sehr langen Version zelebriert in der dich das Publikum erneut gern wieder mit einbinden ließ. Bei späteren Internet-Recherchen erkannte ich, dass dieses Lied ja schon auf ihrem Debüt-Album zu finden ist. Bei so gerne waren dann die Boxhorns wieder komplett versammelt und die Wunderkerzen wurden geschwenkt. Wiederum ein interessanter Text und einer der Gründe, warum Regy Clasen so beliebt ist. Denn sie hat wirklich Texte, die es nicht schon hundertfach gibt, sondern eben auch das gewisse etwas haben. Einfach eine sympathische Frau & tolle Künstlerin!

Als sie herumhorchte, von wo denn Gäste angereist waren (sogar einige aus Nottingham!) hatte ich etwas Zeit, wieder die letztgehörten Songs von der Album-Liste zu streichen. Leider fiel mir auf, dass sich das Konzert jetzt viel zu schnell dem Ende nähert. Gut 3/4 der Lieder der Alben waren schon gespielt, aber ich hätte ihr noch ewig zuhören können. Bevor ich jedoch richtig traurig ob dieses Umstands werden konnte, fing sie mit dem letzten Lied an ... „In Ankara, in Panama, fühlst Du Dich ganz allein, dann bin ich da. In Adelaide, in Monterey werd ich Dir wie ein Stern am Himmel stehn. ...". (Mir kam es wirklich so vor, als ob sie meine traurigen Gedanken erraten hatte und diese sogleich vertreiben wollte. Das Lied jetzt extra nur für mich ;-) - wow.) Ein tolles Schlusslied und endlich standen die Leute auch mal von ihren Sitzen auf und sangen lautstark mit. Ein geniales Ende eines großartigen Abends. (Und für meinen letzten Gedankengang zufälliger Weise genau passend. - Was will man mehr?!)


Nach sehr starkem Applaus gab es die erste Zugabe ... und was für eine. Träumst du nicht war atemberaubend!!!! Nur vergleichbar mit meinem damaligen Konzerterlebnis, als 1996 bei Bryan Adams K's Choice als Vorband auftraten und Sara Bettens acapella "already there" sang, wo ich nix anderes tun konnte als mit offenem Mund staunen. "Träumst du" hatte den gleich Effekt und allein schon deswegen ist das neue Album Gold wert! Ich kann mich noch vage erinnern, dass es noch 2 weitere Songs gab, aber die Nachwirkungen von "träumst du" ließen nichts genaueres an Erinnerungen zu. Einfach nur wow.

Als Regy dann endlich den Blumenstrauß erhielt und sich noch mal bedankte, war ich noch immer voll in Trance ob dieses Konzertes. Der pure Wahnsinn. Oder um es doch noch einmal mit ihren Worten zu sagen (gesetzt den Fall, sie tritt noch einmal in Berlin auf): "da werd ich sein".

Meine Vorschläge: 1) Nimm noch ganz viele Lieder auf (v.a. so qualitativ hochwertige - *Schleim*, aber wenn es doch die Wahrheit ist ...). 2) Komme ganz oft auf Tour nach Berlin (und ignoriere deine negativen Gefühle für diese Stadt). Wir brauche eine wie dich! - Anmerkung: So wie mir erschien es noch vielen anderen gegangen zu sein, denn die aktuelle CD war sehr schnell ausverkauft, aber die Nachfragen rissen nicht ab. Hab ich auch noch nicht so oft bei einem Konzert erlebt. Es muss wohl was dran sein, an dieser Frau ....

 

Ja, so war das. Aber doch auch ganz anders. Zwei Wochen sind vergangen und ich hab noch immer nicht die passenden Worte gefunden. Wenngleich hier jetzt ganz viel drum herum geschrieben. Aber so unfassbar sind halt nur wahre Gefühle. Besonders die positiven. Ein super Konzert. Danke Band. Danke Boxhorns. Danke Regy Clasen.

 

(verfasst von l.j., lars@lonereviewer.de)

 

 

Setlist

(22 gespielte Lieder;  *="wie tief ist das Wasser"-Album)

 

wo ist zuhause

lass es so sein*

ergib dich

endlich*

Fischer, Fischer*

schwindelig*

so nah

blind

die Stadt gehört dir*

ich fahr zu dir*
 
- Pause -
 

wenn ich von ihm träum*

so schön kann keine Frau sein [mit Michy Reincke]

unerreichbar nah [Michy solo]

mach dein Herz laut [mit Michy]

kann ich bleiben (heute Nacht)*

Männer [lange Version]

hast du gewußt*

so gerne*

da werd ich sein*

 

Zugabe:

träumst du nicht*

ich seh dich

immer noch

 

 

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