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 Genesis, Berlin, 2007

Genesis

03.07.2007 // Olympiastadion, Berlin //

turn it on again - the tour

 

Die Dinos kommen!

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Bevor das Naturkundemuseum erneut seine Pforten mit den prähistorischen Dinosaurierknochen öffnete, gaben sich die Rock-Dinos von Genesis die Ehre. (Das Bild zeigt übrigens nicht Phil Collins, obwohl sein Schädel auch so schön glänzt.)

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Früher wäre es ja DAS Comeback des Jahres gewesen - nämlich der bekanntesten britischen Prog-Rocker schlechthin. Aber allerspätestens seit dem 91er Album we can’t dance fanden sich die verbliebenen Mitglieder von Genesis auch im Mainstreampopeinerlei angekommen. Sehr gute Verkaufszahlen, aber auch austauschbarer denn je. Dem entsprechend gab es nach der überraschenden Ankündigung des Comebacks auch schon die erste Fanverstimmung, als das Line-Up der Wiedervereinigung bekannt war. BanksCollinsRutherford waren zwar die kreativen Köpfe hinter der letzten erfolgreichen Zeit, aber ohne Peter Gabriel war es der Meinung der meisten nach nicht das, was die ursprüngliche 'Entstehung' war.
Da aber die damaligen Anhänger nunmehr auch schon ca. 30 Jahre mehr auf den Kasten haben, war der "Protest" nicht allzu vehement und dem entsprechend das Olympiastadion (trotz Ticketpreisen ab 60,- Euro) recht gut gefüllt. Und das allein ist schon eine Leistung, die viele andere Bands nicht geschafft hätten.

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Ein guter Teil wird wohl wegen/für Phil Collins Band-Runde seiner 'first final farewell #2' dabei gewesen sein, wurde aber bzgl. Solo-Songmaterials enttäuscht. Wie angekündigt sollte es an diesem Abend Genesis geben. Keine Vorband - keine Solohits. Was auch immer der wahre Anlass für das Comeback mit Phil Collins war, neue Lieder waren es jedenfalls nicht. Also einfach eine Werkschau nach 15 Jahren Pause (mit passendem Namen: turn it on again) - mal was ganz anderes. Auch anders war, dass große Ereignisse ja bekanntlich ihren Schatten voraus werfen. Tja, hier war es Regen, der bis kurz vor dem Beginn fiel; eine metaphorische Deutung in die eine oder andere Richtung bleibt dem Leser überlassen.

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Ich für meinen Teil kannte ein paar der älteren Songs von Genesis, vor allem aber die Stücke seit dem '86er invisible touch-Album. Ich freute mich einfach einmal diese Band doch noch live erleben zu können. Ich wollte die Frage für mich beantworten, ob die negativen Konzertkritiken, die es fast nur immer über die Band gibt/gab gerechtfertigt sind und was die Band wirklich nach der Pause zu leisten im Stande ist. Es der Welt noch einmal beweisen zu müssen brauchten sie nun wirklich nicht mehr. Mein erstes Genesis-Konzert: Here we go.

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Ziemlich durchnässt (zumindest unten im nicht überdachten Innenraum) war es schon wie eine Erlösung, als 20:16 Uhr endlich die Leinwände nicht mehr zur Projektion von Werbung genutzt wurden, sondern die Show begann. Quasi als on-Stage-Warm-Up begannen die 5 Musiker ruhig mit den beiden Instrumentalstücken behind the lines & Duke’s end, welche dann als Abschluss in das schnellere turn it on again mündeten. Zu letzterem verließ Phil Collins seinen Posten am Schlagzeug und beging schon einmal die große Bühne. Die Zuhörer wollten auch sogleich mit einstimmen, aber das Mitklatschen ist ja bei diesem Song nicht allzu leicht und schon gar nicht irgendwie rhythmisch möglich. Einem Versuch blieb man dennoch nicht schuldig, was sich komisch anhörte, aber dafür Spaß machte.

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Es folgte das erste 'hello’ und die Diffamierung des Wetters als 'scheißer Regen’. (Glücklicher Weise hörte dieser zu Beginn des Konzertes auf.) Um die Stimmung zu lockern ging man nun mit der Setlist auf Nummer sicher und spielte einen der letzten großen Radiohits: no son of mine. Gut vorgetragen und von den Fans auch gleich herzlich aufgenommen, denn den kannte ein jeder. Leider wurde das Stück aber in einer etwas langsameren Version vorgetragen, als man diese auf dem Album findet. Auch war die Intensität noch nicht so da, d. h. geglaubt habe ich ihm dieses Lied als persönliche Erfahrung heute nicht - aber der Abend war ja noch jung und steigerungsfähig. (Ich schieb es jetzt mal auf den Regen, dass die Stimmung noch etwas gedrückt war.)

Wieder in tollem Deutsch gab es die Frage "Sind hier ältere Fans?", welche eine durchaus gemischte Reaktion hervorrief, den nachfolgenden Song aber gut einleitete. (Aber wäre es überhaupt möglich gewesen in den letzten 3-10 Jahren Fan zu werden?!) Land of confusion (1986) gefiel mir sehr gut und auch der von Beginn an gut gelaunt scheinende Phil Collins wirkte gelöster, als zu Beginn und er eher den one more city, one more show-Eindruck vermittelte. Die Projektionsfläche der Bühne wurde auch schon großflächiger genutzt, allerdings lief nicht das Knetpuppenvideo ab, welches auch gut gepasst hätte.

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Ein richtig "alter Schuh" bzw. sogar mehrere sollten aber erst jetzt folgen. In the cage, folgten die Instrumentalstücke the cinema show und Duke’s travels sowie das ruhigere afterglow, welche als Einheit vorgetragen den nächsten Block bildeten. Die vielen Instrumentalstücke überraschten mich als einer der nicht alle Songs kennt schon, aber dafür durften dadurch auch die Protagonisten ihr Können eindeutiger zur Schau stellen. Vor allem der introvertierte Antony Banks dominierte neben Daryl Stuermer an der Bassgitarre diese Stücke, die allesamt routiniert vorgetragen wurden. Unterdessen wurden die extra für diese Tour ins Bühnenbild eingearbeiteten Leinwände immer häufiger für optischen Zucker genutzt. Neben bloßen Projektionen der Protagonisten wurden auch Sequenzen aus alten Musikvideos und animierte Figuren über die Großleinwand gejagt, die die Deutung der Lieder beeinflussen sollten. Schön anzusehen war es jedenfalls. Ebenfalls auffällig war der häufige Positionswechsel vom agilen Phil Collins, dem hiernach die nächsten Fitnessstunde erlassen werden konnte. Selbst inmitten den Songs ließ er es sich nicht nehmen zwischen seinem Schlagzeug und dem Mikrofon am Bühnenrand hin und her zu pendeln.

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Hold on my heart hieß es jetzt, als sich Phil auf einem Hocker niederließ und diese ruhige Nummer sang. Anschließend wurde wieder eine große Show geboten, als er nicht nur erneut etwas Deutsches von seinen Stichwortkarten ablas, sondern auch das "Geisterhaus" auf der überdimensionalen Leinwand mitsamt der "Gespenster" gezeigt wurde. Also die beste Untermalung für die beiden home by the sea-Songs. Der erste Teil gewohnt rockig, während der zweite ruhiger daher kam. Phil tobte sich an den Drums aus, während Mike Rutherford einiges auf der Gitarre zeigte. - Wie schnell doch die ersten 50 Minuten der Show vorbei gingen.

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Nun gab es den meiner Meinung nach schwersten Song, denn Phil sang nicht nur den Klassiker follow you, follow me, sondern spielte gleichzeitig auch die Drums, wofür alleine ihm schon gehöriger Respekt zusteht. Es gibt nicht viele, die das können. (Spontan fällt mir lediglich Don Henley ein.) Meiner Meinung nach war es nicht die Standardversion, wie man dieses Lied vom and the there were three-Album (1978) kennen könnte, sondern eine Variante mit mehr elektronischer Spielerei und einem Percussion-Part.

Der Rest ist schnell erzählt. Daryl Stuermer glänzte bei firth of fifth, während Phil Collins seinen traditionellen Tamburin-Schuhplattler bei I know what I like hinlegte. (Letzteres war für mich eine Überraschung, da ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass dies zu seiner Standardshow bei diesem Song zählt.)
Ein weiteres Highlight war
Mama und Phil gelang einen schönes diabolisches Lachen mit dem passenden Gesicht dazu, wie ich es mir schon immer vorgestellt hatte. Es ist auch schön, wenn sich Erwartungen erfüllen.
Wie wenig ich von Genesis vorher kannte wurde mir klar, als ich das erste Mal überhaupt den Song
ripples hörte (vielleicht sogar mit einem neuen Interlude?). Ein wirklich schönes Stück, im Original vom 76er trick of the tail, welche alleine schon den Kauf dieses Albums rechtfertigen würde.

Vor dem nächsten Song durfte das ganze Stadion erst einmal winken und rufen, wofür es in mehrere Teile unterteilt wurde. Die Kameras waren gut eingesetzt und durch den perfekten Schnitt zwischen diesen wirkte die Übertragung dessen auf der Leinwand sehr imposant. Als Phil dann feststelle, dass das Rund zufällig immer "Domino" rief, fiel ihm auf, dass sich dieses ja trifft, da er zufällig ein Lied kennt, welches domino heißt, und es sogleich anstimmte.

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Um die Fans kurzzeitig wieder etwas herunterzubringen, folgte jetzt ein drum duet, welches er sich mit Chester Thompson lieferte. Zum Ende hin wurden Tempo und Intensität jedoch derart erhöht, dass es kein Ausruhen mehr war, bevor das anschließende los endos erschallte.
Zum Abschluss der Hauptshow folgten noch 2 Hits. Eine nicht ganz vollständige Version von
tonight, tonight, tonight und invisible touch, welches 22:35 punktgenau in einem großen Feuerwerk endete.

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Für die Zugabe hatte man sich ebenfalls noch 2 Leckerbissen aufgehoben. Zuerst stimmten die Musiker I can't dance an, bei welchem das Publikum außer Rand & Band war und man nicht nur auf der Leinwand von den bunten Animationsmenschen überzeugen konnte, dass es stimmt.
Der Rausschmeißer war dann das nicht minder beliebte
the carpet crawlers, welcher 22:56 Uhr dieses auch optisch reizvolle Konzert beendete.

Fazit: Genesis gingen auf Tour, "um ihr musikalisches Erbe zu regeln" und, so schrieb ein anderer Kritiker, "einiges richtig zu stellen". Für mich brachte es die Erkenntnisse, dass ich Genesis vorher gar nicht richtig kannte und die prozentuale Häufigkeit der Instrumentalstücke arg unterschätze. Des weiten hörte ich den einen oder anderen für mich neuen Song, der allein es lohnt, sich doch einmal eingängiger mit Genesis zu beschäftigen. Die Show an sich war überraschend lang, schön vorbereitet und auch technisch bis ins Letzte durchgeplant. Kritiker, die daraufhin den Vorwurf erheben, dass aufgrund dessen keine Spontanität auf den Konzerten zu finden ist können sich ja überlegen, dass Genesis zum einen nie "spontan" war und es zum anderen bei einer minutiös getimten Show wohl nicht allzu gut kommt sich spontan in Solis zu versteigen. - Mir hatte es gefallen, alle hatten Spaß und um den berliner Kalauer doch noch zu bringen: "und das ist gut so".

(Text: l.j. - lars@lonereviewer.de -

Bilder: Randy Nagel (7) sowie l.j. (7) - www.el-jay.de)

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## Besetzung ##
Tony Banks - keyboards
Phil Collins - vocals, drums, tambourine
Mike Rutherford - guitars, bass, backing vocals
sowie
Daryl Stuermer - bass, guitars
Chester Thompson - drums, percussion

## Setlist ##
01. behind the lines (instr.) / Duke’s end (instr.) / turn it on again (short)
02. no son of mine
03. land of confusion
04. in the cage / the cinema show (instr.) / Duke’s travels (instr.)
05. afterglow
06. hold on my heart
07. home by the sea / second home by the sea
08. follow you follow me
09. firth of fifth (instr.) / I know what I like
10. mama
11. ripples
12. throwing it all away
13. domino
14. drum duet (instr.) / los endos (extended)
15. tonight, tonight, tonight /
16. invisible touch

Zugabe
17. I can’t dance
18. the carpet crawlers

 

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