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 Eric Burdon and The Animals

Eric Burdon & The Animals (Fabrik/Hamburg, den 03.04.2006)

 

"Do you want me to sign, or do you want me to sing?!"

 

BIS zur Ampel an der Kreuzung reichte die Schlange vor der Fabrik, als Stefan und ich uns um Punkt 20.00 Uhr zum Einlaß an Hamburgs wohl stilistischer Musikstätte einfanden. Der erste Gedanke: Wir waren einmal wieder die Jüngsten! Die Rockmannsgarn spinnende Kiez-Generation der 1960er Jahre schien hier komplett anwesend zu sein. Aber damit war zu rechnen. Spielte doch gleich Eric Burdon mit den neugeformten "The Animals", der die Starclub-Szene Mitte der 1960er samt Originalbesetzung neben Beatles, Rattles und Co. mit aufmischte. Auch The Animals waren es,  die für diese sagenumwobenen Geschichten aus der Jugend unserer Väter und Mütter - sofern sie damals nicht eher Cliff Richard oder gar Peter Kraus zugeneigt waren - den mystischen Zündstoff lieferten, mit denen sie uns (etwas zu spät!) geborenen Musikfans ein ums andere Mal in neidvolle Verzückung zu versetzen wußten. Unsereins erinnerte sich immerhin noch gut an den Musikunterricht der 6. Klasse Ende der 1980er Jahre, bei dem "House of the Rising Sun" neben "Hoch auf dem gelben Wagen" zum Lehrplan konformen Liedgut gehörte und jedesmal seitens der hinterbänkigen Jungs stimmbrüchlich aber mit Begeisterung angestimmt wurde! Jedenfalls mußten Stefan und ich diesem Mythos nachgehen und einmal wieder einen alten Hasen von unserer "Nachhol"-Liste streichen, so lange denn noch die Chance bestand, etwas nachzuholen.

 

 

Diesmal begaben wir uns - innerhalb der ausverkauften Fabrik angekommen - auf die erste Etage und suchten uns, unweit und schräg oberhalb der Ton- und Lichtkünstler, auf dem Balkon einen Platz, um einen besseren Überblick über die nette Location und deren anwesenden Seelen, sowie ein rundum abgeschmecktes Soundgericht zu erhaschen.

Den Musik schenkenden Anfang machte alsbald eine junge Band aus Santa Barbara, Kalifornien mit dem seltsam deutsch - und dabei leicht schelmisch - klingenden Namen "Tripdavon". Die sonnigen Jungs spielten guten soliden Alternative Rock auf, der mich vor drei Jahren sicherlich noch gut begeistert hätte, als Creed zu den letzten Keimlingen des Grunge und Staind zu den Visionären des Nu Rock gezählt wurden; aber alles dann irgendwie doch eher austauschbar daherkam. An diesem Abend jedoch schien diese extrem Pearl Jam-angehauchte halbe Stunde etwas fehl am Platze. Die Leute gingen trotzdem beschwingt mit - selbst als der Drummer kurzerhand und  etwas überwältigend eine Maschinengewehrsalve auf seinem Kit abfeuerte und fast die Mutation zu Sepultura eingeleitet hätte. Es blieb aber bei einem nur kurzen Tobsuchtsanfall ohne weiteres unverständliches Gegröle. Nein, die Stimme des Sängers war sogar durchweg recht ansprechend; alle Bandmitglieder machten einen guten Eindruck und wußten ihr Instrument - ihrem Genrestil zugehörig - zu bedienen!

Ein kleines Highlight folgte dann noch, als die Band Neil Young´s "Rocking in a free world" anstimmte (übrigens schon einmal von Pearl Jam gecovert; der Apfel fiel also nicht weit vom Stamm!) und plötzlich eine - in einem feschen roten Fummel gekleidete - Frau mit Backstageausweis um den Hals sich aus dem Hintergrund heran schlich, kurz den Sänger hinterrücks durchkitzelte als er mal nicht aufpaßte, und sich bis auf die Bühne tanzend vorarbeitete, um dort erotisierend mitzurocken. Ein skurriler Kerl mit Dreadlocks (?!) gesellte sich „kopfschüttelnd“ dazu und ein etwas in die Jahre gekommener, grauhaariger Herr fing plötzlich an, "Tripdavon" an den noch am Rande der Bühne stehenden Keyboards - welches der Tonmeister noch wild fuchtelnd auf  Spur schalten mußte - zu begleiten. Es handelte sich dabei natürlich nicht wieder um irgendwelche übermütigen Trunkenbolde, die sich unentwegt vorbei an den Roadies den Weg zur Stage bahnten (siehe bitte den Konzertbericht zu "Tito & Tarantula"), um posend Luftgitarren zu malträtieren, sondern um die Begleitmusiker (den "Animals") von Eric Burdon, die miteinstimmten und die Fabrik nun doch bereits zum Aufkochen brachte.

Trotzdem schmeckte es ein wenig nach "Nachwuchsförderung" und war leicht an der eigentlichen Zielgruppe vorbei geplant: Der Anteil der Endzwanziger - also derer, die wie wir beiden "Nachholschüler" mit Grunge und Consorten in den 1990er Jahren aufgewachsen sind - machte gerade einmal einen einstelligen Prozentwert aus.

 

Um 22.00 Uhr war es dann aber soweit. Die Referendare hatten Pause. Die Lehrstunde konnte beginnen; der Altmeister betrat das Dunkel.

Die fünfköpfige Band um Eric Burdon (Paula O´Rourke: Bass, Eric McFadden: Guitars, Red Young: Keys, Wally Ingram: Drums) schlenderte unter Beifall auf die Bühne und begann mit einem kleinen Intro "Don´t let me be missunderstood" zu spielen.

Sollte sich der zuvor von einem Ticket suchenden Mann gemachte augenzwinkernde Scherz (und Feilschtrick) "Burdon sei heute Abend eh betrunken und schlecht drauf!" bewahrheiten?! Mit Sonnenbrille, Schlabber-Shirt und Armmanschette suchte Burdon sich den Weg zu seinem für ihn extra aufgestellten Hocker, der hinter dem Ständer mit den ausgebreiteten Lyrics stand. Aber nein; alles in Butter! Er hat es selbst gesagt, nachdem er den Ständer im Ausbruch einmal umriß und sich ersteinmal wieder orientieren mußte, ehe er von seiner Bassistin Paula O´Rourke ("die Dame in Rot") um eine der Säulen herum geführt wieder den Weg zurück zu seinem Platz fand: "I am NOT stoned!". Wenn also auch selbst bekundet wirklich drogenfrei, der Soul schien spürbar noch immer ergriffen zu haben, so sehr lebte er seinen Auftritt im Verlauf des Abends.

 

Überhaupt wurde der Abend sehr lebendig gehalten und mit Seele gefüllt. Die alten Klassiker fanden einen neuen Funken, was das Arrangement anging. Auch wenn diese "Frische" lobenswert ist, fehlte es mir persönlich jedoch an einigen Stellen an den markanten Parts der Originale. Dem Traditional "House of The Rising Sun" fehlte es zum Beispiel - trotz eines gelungenen E-Gitarren-Solos - ein wenig an dem Hammondsound-Zauber der "Studio (!)"-Version und auch "Put a spell on me" und den Einstieg mit "Don´t let me be misunderstood" kannte ich von dem einen oder anderen Soul- oder Discokünstler schon besser. "Ring of Fire", "Spill the wine" und "River deep, mountain high" hingegen versüßten den Abend – trotz soundtechnisch leicht verzerrter Abmischung - um so mehr mit gelungenen Interpretationen sowie ausgedehnten Keyboard- und wiederum Gitarrensoli. Red Young, der auch schon für Musikerkollegen wie Linda Ronstadt, Dolly Parton und Sonny und Cher spielte, überzeugte mit schnell und energiegeladenen Tasteneinlagen, die teilweise etwas in den Grenzbereich des Hörbaren gingen und manches mal die ursprüngliche Spur des Songs verließen aber dennoch wie am Seil gezogen zurückfanden. Eric McFadden (u.a. für George Clinton spielend) wechselte gekonnt zwischen Akustik- und Elektronikgitarren und fand auch bei Eric Burdon respektvolles Nicken.

Eines kann man dem alten Haudegen Burdon selbst jedenfalls nicht absprechen („Excuse me, I´m old!“). Er hat wahrlich Soul im Blut! Und damit spreche ich nicht allein Outfit, Einstellung und Benehmen an. Die dunkle Sonnenbrille, die torkelnden Bewegungen bei denen auch mehrmals Paula O`Rourke nahezu unbeabsichtigt umgerissen wurde, sowie dieses leicht arrogant wirkende Auftreten nach dem Motto "Ihr alle könnt mich mal kreuzweise!", alles gemischt mit seiner rauhen aber für sein Alter noch erstaunlich ausdrucksvollen Stimme ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass Burdon zu den großen seiner Zeit zählte.

Ein wenig hat er stimmlich an Volumen verloren; aber das kann man ihm genausowenig vorwerfen, wie den Umstand, dass er sich desöfteren der Hilfe eines Hockers sitzend bediente und diesen ab und zu zum darauf Stehen benutzte. Nach all den (dem Rocklexikon nach zu entnehmenden "in jeglicher Form") lebensbereichernden Jahren grenzte es an ein Wunder, dass dieser Mann noch immer so energiegeladen zu konzertieren wußte, und das knapp 100 Minuten lang, mit zwei Zugabenblöcken (!).

"Spill the Wine" (tolles Drumsolo) und "Ring of Fire" (enorme Dynamik) entpuppten sich dabei als absolute Höhepunkte des Abends. Wiederum gesellte sich am Ende nun Support und Hauptact gemeinsam auf der Bühne, um mit der tobenden und tosenden Fabrik im Einklang und Festivalmanier einer stimmlich Mann- und Frau starken Abschlussdarbietung den "Man in Black" Cash zu huldigen! Die Band löste sich unter lauthalsen Mitgesang des Publikums nach und nach auf; das letzte „Wort“ erhielt der Drummer, der nicht zu spielen aufhören gewillt schien und immer wieder seinen angestrebten Gang von der Bühne unterbrach, um doch noch einmal auf das Fell zu hauen, um so den Song und das damit behaftete schöne Gefühl „Rock, Soul, Cash... lebt!“ unendlich zu machen.

 

Das einzig - nicht nur für uns beide – leicht Nervende am Abend, dessen thematischer Inhalt eine Kolumne hier bei dem Lone Reviewer füllen würde, aber hier im Zusammenhang einmal abschließend erwähnt sein soll: zwei Fans der ersten Reihe, die ihre in einer Einkaufstüte mitgebrachte komplette Plattensammlung während (!) des ausklingenden Gigs permanent unterzeichnet wissen wollten.

Selbst als der "Meister" sie zunächst arg aber berechtigt abblitzen ließ ("Do you want me to sign, or do you want me to sing?!") und das zuvor euphorische Mittanzen dieser beiden unter Tintenrausch leidenden Jäger nun etwas nachließ, war Burdon jedoch gnädig und erfüllte ihnen ihren Lebenswunsch. Aber nicht genug! Nach dem bekannten Sprichwort reichte man ihnen somit eine nettgestige Hand, und sie trachteten tatsächlich nach dem ganzen Arm; schließlich mußte das ganze Sammelwerk unterzeichnet werden. Man könnte diese Szene ein wenig mit der Nestfütterung von ausgehungerten Vögeln beschreiben, so wie sie hier jedesmal mit ihren Stiften in der Luft herumfuchtelten sobald Burdon auch nur in die Nähe kam. Ein wenig mehr Rücksichtnahme auf die anderen Besucher und einen Tick mehr Respekt vor dem Künstler selbst wären an dieser Stelle wünschenswert gewesen; aber nun gut - wenn solch ein Autogramm in mehrfacher (!) Ausführung zum Lebensinhalt gehört, sei´s drum!

Nach dem Konzert blieb übrigens auch noch etwas Zeit, sich in aller Ruhe bei einem Bierchen am Tresen das eine oder andere Autogramm der Bandmitglieder beider Gruppen zu besorgen. Dass dabei Paula O´Rourke umzingelt wurde, bedarf keiner weiteren Erklärung, denke ich. Auch hier waren die mittlerweile zu kreisenden Geiern ausgewachsenen Nestbrüter wieder zugegen. Stefan und ich mußten den Schauplatz verlassen, ansonsten hätten wir uns unserem im Innern brodelnden Herd hingeben müssen, womit die eine oder andere unterschriebene (!) Platte vielleicht zu Bruch gegangen wäre.

Satire beiseite; und damit Schwamm drüber: Fans sind was Gutes und gerade für die alten Interpreten lebenswichtig; aber manchmal reicht es doch auch, sich auf das Wesentliche zu besinnen und dieses zu genießen!

 

Aber wir wollten uns - und auch diesen beiden Fans (nichts für Ungut!) - den schönen Abend nicht verderben. Um so schöner, dass einer der wenigen alten Haudegen der 1960er seinen Soul noch vollends auf der Bühne ausleben und das Publikum mitreißen kann, und das, ohne dabei austauschbar und entbehrlich zu wirken!

Die Songs mögen andere besser spielen, aber den Soul und die Mystik von damals bringt nur Eric Burdon mit!

 

Unsere "Liste" wurde nun grün abgehakt und die Nachhilfestunde erfolgreich beendet. Auf zu weiteren „alten“ aber lebendigen Ufern...

 

a.j. (andre@lonereviewer.de)

 

Sonstige interessante Auffälligkeiten:

- Kuno Dreysse von der Hamburger Musiksendung (Kuno´s, HH1) war auch wieder samt Kameras vor Ort und hat Teile des Abends mitgeschnitten. Vielleicht wird in seiner Sendung etwas davon gezeigt werden - mal schauen...

- fast das ganze musikalische Equipment wurde von einem Verleiher in Scheesel, Niedersachsen "geliehen"

 

Links:

www.ericburdon.com

www.tripdavon.com

www.fabrik.de

www.downtown-bluesclub.de/kunos_aktuell.afp

 

 

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