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 Hamburg-Nacht

Hamburger Nächte sind lang – zumindest vor 23 Uhr

 

Die Endlichkeit von Open-Air-Live-Musik in Hamburg

 

 

Hamburger Nächte sind lang, früher vielleicht einmal. Da konnte man auf der Reeperbahn noch nachts um halb eins in lauschiger Nacht feiern. Heutzutage dauern Hamburger Nächte zumindest Open Air bis maximal 23 Uhr, im Stadtpark sind sie sogar schon um 22 Uhr zu Ende. Und wenn überall in Deutschland die „Lange Nacht“ gefeiert wird, die „Lange Nacht der Wissenschaft“, die „lange Nacht der Museen“ und nun auch die „lange Nacht der Kirchen“, in Hamburg muss etwas schneller gefeiert werden.

 

Die „Nacht der Kirchen“ war am 4. Juni 2005 in Hamburg ein tolles Event: in 149 Kirchen wurde Programm geboten, in vielen Kirchen auch ein musikalisches Programm. Mindestens drei Kirchen in Hamburg boten dabei hochkarätige Musik, sie waren auch als Songwriter-Kirche, Jazz-Kirche und Live-Kirche besonders gekennzeichnet.

 

Die Live-Kirche war St. Petri mitten in Hamburg. Und die Live-Bühne war Open Air vor der Kirche aufgebaut. An dem Abend waren hier die rockigeren Acts von Der Fall Böse (Funk) bis Krosnoff (Hard Rock) am Werk. Und zum Schluss als Headliner, tagelang schon vorher in der Presse gefeiert und vorgestellt, Regy Clasen mit Band.

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Endlich mal etwas los in Hamburg mit guter Live-Musik auf verschiedensten Bühnen parallel. Endlich mal kein wunderschönes Grau am Himmel, sondern es war ein zwar relativ frischer aber trockener Juniabend. Endlich mal ein so gutes Wetter, dass schon am Nachmittag in der Hafen-City bei den ersten Sonnenstrahlen Regy Clasen die Setlist ihres ersten Auftritts an diesem Tag spontan umstellte: „Endlich scheint Dir die Sonne ins Gesicht“. Und für die Anhänger von guter deutschsprachiger Soul-/ R&B- und Songwriter-Musik dann endlich nach einigen Verzögerungen Regy Clasen um 22:35 Uhr auf der Bühne vor St. Petri. Während ihre Vorgänger, die Hard-Rocker von Krosnoff, noch Probleme hatten, den Platz vor der Bühne dicht zu füllen, gelang das Regy spielend. Die Hamburger Presse schrieb ja auch vor kurzem, diese Stadt gehört Regy. Regy durfte es auskosten – 25 Minuten lang.

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Nach etwa 25 Minuten wurde das immer besser mitfeiernde, mitklatschende und mitsingende Publikum dann aber hart auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Hamburger Open-Air-Abende sind extrem endlich, sehr schnell end-lich. Die Polizei umkreiste schon die Bühne und betrachtete wohl schon mit Argusaugen die immer größer werdende Menschenzusammenrottung. Und endlich für die ordnungsliebenden Hamburger: Regy Clasen musste nach einem letzten Titel um kurz nach 23 Uhr das Konzert abbrechen, endlich Ruhe im Karton, die Menschenzusammenrottung löste sich auf und endlich konnten die Bürgersteige hochgeklappt werden. Endlich Ende. Genau so gehört sich das für eine Millionenstadt, die einmal Olympiabewerberstadt werden wollte.

 

Es war auch schon ein Skandal, was sich da auf der Bühne ereignete: Nicht nur die fünf Musiker der Regy-Clasen-Band auf der Bühne machten Lärm, sondern auch noch die gesamte Menschenmenge vor der Bühne, die in großer Zahl die auf der Bühne ausgegebenen Parolen nachsang. Besonders schlimm die in zwei Lager aufgeschaukelte Menge bei einem Lied „Da werd ich sein“ (eine Hälfte sang „wo immer auch“, die andere, lautere Hälfte „da werd ich sein“).  Waren das geheime Parolen zur Absprache einer weiteren gefährlichen Zusammenrottung an einem anderen Ort, etwa während der Kieler Woche, im Sommer im Stadtpark oder im Winter in dunklen, zwielichtigen Räumen wie dem Mandarin-Kasino? Wo werden die Leute sein? Wo immer auch, also überall? Gefährlich, gefährlich. Und wenn es endlich mal etwas ruhiger wurde auf der Bühne, stachelte die Sängerin noch zum Ehebruch an („So gerne“). Und dann noch der Lauteste auf der Bühne, Emre, hatte lauter Schlaginstrumente in der Hand und fuchtelte die ganze Zeit mit Ihnen herum. Emre, Ausländer scheint er auch noch zu sein. Und er hatte einen großen Fanclub mitgebracht, seine Mitwisser, die besonders stark auf die Parolen der Sängerin reagierten und Zeile für Zeile mitskandierten ... echte Mitwisser, sie wussten Wort für Wort, was da auf der Bühne an Parolen ausgegeben wurde - schon im voraus!

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Ein Glück, dass da noch gewissenhafte Bürger aufpassen und die Polizei sofort einschreitet. Die Nacht der Kirchen, wahrlich eine tolle Idee. Nur müsste man sie in Zukunft auf den Zeitraum von 20:15 Uhr (nach der Tagesschau) bis 21:30 Uhr begrenzen (da ist es noch schön hell Anfang Juni). Den kontrollierten Abzug der Menschenmassen kann man da noch im Hellen nachkontrollieren und alle Bürgersteige klinisch rein fegen, dass kein Nachtbummler mehr zurückbleibt.

 

Genug der Satire: Schauen wir uns die offizielle Meinung des Stadtoberhaupts an.

 

Ole von Beust, der Hamburger Bürgermeister, schrieb das Grußwort zum offiziellen Programm der Nacht der Kirchen. Wir zitieren: „In Hamburg sind die Nächte lang. Die Idee (der Nacht der Kirchen) knüpft an nächtliche Veranstaltungen an, die ... eine wahre Begeisterungswelle auslösten. Allen Beteiligten und Besuchern wünsche ich viel Spaß und ein fröhliches Beisammensein.“

 

Lange Nacht? Nächtliche Veranstaltung? Viel Spaß (mit der Polizei im Nacken)? Ein fröhliches Beisammensein (das von anderen Bürgern und der Polizei als nächtliche Ruhestörung verstanden wird)?

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Ich hoffe, Herr von Beust, die Nacht der Kirchen findet 2006 wieder statt, löst eine ähnlich tolle Resonanz aus und zieht wieder viele tolle Musiker auf die Bühnen der Stadt. Ich hoffe, Herr von Beust, dass Sie dann vorher Ihre Behörden anweisen, das fröhliche Beisammensein auch wirklich als solches zu betrachten und nicht vor Beginn der Nacht schon durch Polizeigewalt aufzulösen.

 

Vorbildlich dagegen die St.-Johannis-Gemeinde in der Jazzkirche in Harburg. Der Veranstalter kündigte um 20 Uhr ein Programm mit 4 Bands bis 24 Uhr an. „Und dann werden wir die Musiker überreden, so lange Jam-Sessions zu spielen, bis die letzten Besucher die Kirche verlassen, und wenn es um 5 Uhr morgens ist.“ Gut, dieser Mann. Und ein Vorbild für Sie, Herr von Beust.

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

Fotos der Veranstaltung vom 4. Juni: Andre (a.j.) vom Lone Reviewer

 

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