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 Roger Cicero: Männersachen

DVD-Review

 

Roger Cicero: Männersachen Live!

(erschienen: März 2007)

 

 

„Nur die Männer, bitte nicht helfen“ –

Der Swing-König von Deutschland mit vollem Gebläse

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Irgendwann im Frühjahr 2006 war es, als mir im Auto beim Radio hören buchstäblich die Schuhe ausgezogen wurden: Da präsentierte NDR2 einen neuen Titel mit deutschem Text „Zieh die Schuh aus“. Das Erstaunliche: Dieser deutsche Text funktionierte mit einem Musikstil, der als rein amerikanisch galt: Swing. Dass Swing in Mode kam, war natürlich neben Michael Buble auch Pop-Größen wie Robbie Williams zu verdanken. Dass wir uns aber nicht mehr vor deutschen Texten erschrecken mussten, dafür hatten vor einigen Jahren Stefan Gwildis im Bereich Soul und Regy Clasen im Bereich R&B gesorgt.

 

Das Album Männersachen wurde nach dieser Radiosendung dann auch schnell zum Pflichtkauf. Die deutschen Texte sprühten vor Witz, was kein Wunder war, als im Booklet dann ersichtlich wurde, dass mit dem Duo Ramond / Hass die Leute hinter Annett Louisan auch die hinter Roger Cicero waren. Dieses Produzenten/Texter/Komponisten-Duo galt schon damals als deutschlandweit führend im Umgang mit intelligenten, aber auch musikalisch umsetzbaren deutschen Texten (und sie wurden dann auch später mit dem Echo dafür „gekrönt“). Und schon glaubten wir, dass dann auch als Label „105music“ für diesen neuerlichen Coup zuständig sein müßte – schade, nein, Roger Cicero war bei „Starwatch/Warner Music Group“ unter Vertrag.

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Tausendmal hatten wir sicher schon dieses Album gehört, als wir uns im August 2006 dann in den fliegenden Bauten in Hamburg ein Roger-Cicero-Konzert gegönnt hatten. Wir wollten uns dabei eigentlich nur den Abend vertreiben und an diesem Wochenende nicht allein zum Gwildis-Open-Air im Stadtpark am Folgetag gehen: Roger Cicero im kleinen Zelt am Hamburger Dom vor Hunderten von Leuten somit als Support Act  für Stefan Gwildis im Stadtpark am nächsten Tag vor Tausenden.

 

 Tausendmal Männersachen gehört, so richtig zoooom gemacht hatte es dann aber live im stickigen und tropisch-warmen Zelt: Männersachen funktionierte auch live, und wie. Das Album war schon sehr transparent produziert, die einzelnen Instrumente wurden glücklicherweise nicht „glattgebügelt“, live war das mit voller Band aber natürlich noch mehrere Stufen dynamischer und lebendiger. Roger Cicero erwies sich als eleganter und guter Entertainer, die nicht auf dem Album veröffentlichten Cover-Versionen wie „König von Deutschland“ und „Tausendmal berührt“ erwiesen sich als zusätzliche Renner des Abends. Und die einzelnen Musiker der Band, mit Freiräumen für diverse Soli, waren auch Könner an ihren Instrumenten.

 

Als wir die fliegenden Bauten verließen, war klar, dass unbedingt eine Live-DVD her musste. Die Roger-Cicero-Big-Band war zu gut, als dass an einem Abend alles – als eine Art One-Night-Stand, vorbei sein sollte. Das Album „Männersachen“ wurde im Nachgang zum Konzert dann auch für mich das Album 2006.

 

Roger Cicero ging schließlich mit Big Band auf Tour, und im Februar 2007 wurde in der Alten Oper in Frankfurt eines der Konzerte von Kameras und Mikrofonen aufgezeichnet. Vorbildlich: schon anderthalb Monate später lag eine perfekt produzierte DVD in den Regalen. Die DVD im Amaray-Case mit Pappschuber und einem informativen 8-seitigen Booklet machte schon optisch einen sehr guten Eindruck.

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Das Konzert auf DVD gibt das von uns Erlebte in den fliegenden Bauten gut wieder. Startend mit „Das ganze Leben ist ein Zoo“ und „Ich Idiot ließ Dich gehen“, behält Roger Cicero die gesamte Spielzeit über eine gute Mischung zwischen Up-Tempo-Swing und ruhigeren Titeln bei. Die Ansagen sind glücklicherweise auf der DVD enthalten, leider springt man in der Einzeltitelanwahl immer hinter diese Ansagen, was sehr unglücklich ist (nochmals an das DVD-Authoring: Ein Titel beginnt live mit einer Ansage, kein Titel endet mit der Ansage des nächsten).

 

Das Publikum ist spätestens beim dritten Titel, „Murphys Gesetz“, auch da. Nach Piano-Beginn entwickelt sich der Titel über das Eintreten des schlimmsten Falles zum Stimmungsmacher, die Alte Oper klatscht geschlossen mit. Die gesamte Musik, der variierende Gesang von Roger Cicero (der sich in Details immer wieder von den Studio-Versionen unterscheidet) und die verlängerten oder neu eingeführten Instrumentalsoli sorgen dafür, dass das Konzert nicht steril und glatt, sondern sehr lebhaft und abwechslungsreich und vom Sound her auch treibend und teilweise kantig ist.

 

Beispielsweise gibt es in „Wenn ich den Blues nicht hätt’“ zunächst ein Solo von Stephan Abel am Tenorsaxophon, danach ein stimmliches Saxophonsolo von Roger Cicero. Und der zweite Aufwecker des Konzerts ist das anschließende Schlagzeugsolo von Matthias Meusel, das das Publikum wieder zum Szenenapplaus animiert.

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Mit der Rio-Reiser-Ballade „König von Deutschland“ und dem Klaus-Lage-Hit „Tausendmal berührt“ gibt es zwei herausragende Cover-Versionen in diesem Konzert. Letzteres beweist, dass deutscher Pop mit acht Bläsern richtig unter Volldampf geraten kann – sogar mehr Volldampf, als es Klaus Lage mit E-Gitarren geschafft hat.

 

„Konig von Deutschland“ wird nur am Piano von Lutz Krajenski begleitet. Der von Roger Cicero leicht geänderte Text paßt auch gut in die heutige Zeit. Roger singt dem Original entsprechend eindringlich und muss in der Textzeile um Reinhard Mey, Paolo und Kurt Felix sogar aufstehen, so sehr legt er sich stimmlich „ins Zeug“. Ein witziger Mitsingteil leitet dann das Ende ein: Roger fordert zunächst die Männer auf „König von Deutschland“ zu singen. Die Männer dürfen vorlegen, „anders als zu Hause“ meint Roger. Ergänzt dann aber schelmisch: „Nur die Männer, und bitte nicht helfen“. Es ist ja auch erstaunlich, dass bei einem Album, das sich textlich klar an die Männer richtet, die Frauen in Begeisterungsstürme ausbrechen und auch bei Konzertgängen immer die Regie übernehmen würden. Während der Männer-Chor-Express dann auf vollen Touren läuft, kommt der Frauen-Chor in Frankfurt nicht so richtig in Gang, weil die durch Roger stimmlich entsprechend hoch vorgelegte Textzeile „oder Königin“ von den Frauen zuerst nicht mitgesungen wird, sondern zum Lacher des Abends wird. Roger ist sichtlich überrascht, dass seine Frauenimitation so ein Lacherfolg geworden ist.

 

Nach der Pause startet die Band instrumental mit einem Titel, der sich wieder vor allem an Männer richtet. Diese Spezies hat relativ schnell die Titelmelodie der Samstagabend-Sendung erkannt, bei der sich Frauen meist protestierend abwenden: Das aktuelle Sportstudio. Lutz Krajenski kann hier auch noch einmal mit einem Klaviersolo glänzen.

 

Auch in der zweiten Konzerthälfte gibt es noch einige Höhepunkte, der Schluss ist dabei besonders gelungen. In „Kompromisse“ steigt die Band auf mobile Instrumente um (die Bläser haben schon welche, Schlagzeuger, Pianist und Bassist bewaffnen sich mit mobilen Schlaginstrumenten) und zieht durch die Reihen des Publikums zum hinteren Ausgang des Parketts ... um nach einer halben Minute mit Beifallsstürmen dann an einem anderen Parkett-Eingang wieder einzuziehen .. mit der gleichen Melodie. „Kompromisse“ endet dann wieder mit der vollen Band auf der Bühne. Die erste Zugabe war somit das Ende von „Kompromisse“. „Zieh die Schuh aus“ beginnt danach mit einem schönen Kontrabass-Intro von Herve Jeanne.

 

Insgesamt wurde hier ein tolles Konzert eingefangen, so wie wir es auch ein halbes Jahr zuvor im stickigen Zelt der fliegenden Bauten in Hamburg erlebt hatten. In diesem halben Jahr hatte sich einiges verändert: die Zuschauer kamen nun nicht mehr in dreistelligen, sondern schon in vierstelligen Größenordnungen. Und kurze Zeit nach dem aufgezeichneten Konzert bewiesen erwachsene Anhänger deutschen Swings, dass sie sogar schon eweitaus schneller Abstimmungsanrufe und Abstimmungs-SMS schicken können als jugendliche Monrose-Anhänger: Roger Cicero gewann mit über 50% der Stimmen den deutschen Vorentscheid des Eurovision Song Contest. Leider konnte er bei diesen sehr reglementierten Wettbewerbsauftritten nur mit sechs Leuten auf die Bühne, statt mit der 12er-Besetzung, die das auf DVD aufgezeichnete Konzert bestritt und die auch seine Stammformation ist.

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Die Roger-Cicero-Big-Band in Stammbesetzung, die auch auf der DVD spielt:

 

Roger Cicero, Gesang

Lutz Krajenski, Piano und musikalische Leitung

Herve Jeanne, Kontrabass und Bassgitarre

Matthias Meusel, Schlagzeug

Dirk Lentschat, 1. Trompete

Axel Beinecke, 2. Trompete

Uwe Granitza, 1. Posaune

Andreas Barkhoff, 2. Posaune

Ulli Orth, 1. Altsaxophon, Flöte

Markus Steinhauser, 2. Altsaxophon, Klarinette

Stephan Abel, Tenor-Saxophon, Flöte

Thomas Zander, Bariton-Saxophon, Flöte

 

Die Trackliste der DVD:

 

1 Das ganze Leben ist ein Zoo
2 Ich Idiot ließ dich gehen
3 Murphys Gesetz
4 Mein guter Stern auf allen Wegen
5 Kein Mann für eine Frau
6 Wenn ich den Blues nicht hätt'
7 Frauen regier'n die Welt
8 König von Deutschland
9 Schön, dass du da bist
10 Up to date
11 Schieß mich doch zum Mond
12 Wenn sie dich fragt
13 Du willst es doch auch
14 Tausendmal berührt
15 Ich atme ein
16 Kompromisse
17 Zieh die Schuh aus
18 Fachmann in Sachen Anna
19 So geil Berlin

 

Als Zusatzmaterial findet sich auf der DVD noch:

 

Backstage-Bericht
König von Deutschland (Soundcheck Version mit Scat-Gesangs-Solo)
Frauen regier'n die Welt (Promo-Video)
Zieh die Schuh aus (Promo-Video)
Ich atme ein (Promo-Video)

 

Die DVD hat eine Laufzeit von insgesamt 141 Minuten, das Bildformat ist 16:9, und es gibt im PCM-Stereo 2.0, Dolby Digital 5.1  und DTS 5.1 drei Tonspuren. Bild und Ton sind hervorragend. Nur der Gesangston wirkt leicht hallig, das ist bei dem großen Saal aber eher natürlich, und auch die Kameraführung wirkt auf den ersten Blick sehr unruhig (alle Kameras sind immer in Bewegung und sehr schnell geschnitten) und die Totalen der Krankamera sehr total (aus großer Entfernung aufgenommen) wirken. Mit dem eleganten und funktionellen Menü hat man eine technisch hochwertige Konzert-DVD in Händen.

 

Wer Roger Cicero und Band schon während ihrer Tour gehört hat, hat hier ein perfektes Andenken an das Konzert. Und wer Roger Cicero noch nie live erlebt hat, der kann sich mit dieser Konzert-DVD schon einmal mental auf noch kommende Konzerte einstellen, die in den nächsten Jahren sicher wieder vor ausverkauften Häusern stattfinden werden. Stefan Gwildis, Regy Clasen, Annett Louisan, Roger Cicero: Die Erfolgsgeschichte verschiedenster Musikstilistiken von Soul bis Swing, alle aber mit guten und musikalisch passenden deutschen Texten, geht weiter.

 

 

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

 

Offizielle Pressefotos von Kuestercom, einige Fotos von Frank Eidel

 

Links:

 

Offizielle Seite von Roger Cicero:

http://www.rogercicero.de

Roger´s MySpace-Seite:

http://www.myspace.com/rogercicero

 

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