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 Stefan Gwildis: Wajakla

Stefan Gwildis: Wajakla (2002)

 

Stefan Gwildis, durch die CD "Neues Spiel" als Interpret von Soul-Klassikern mit deutschen Texten erst 2003 bekannt geworden, ist schon ein alter Hase in der Musikbranche. "Wajakla" (im Klartext: War ja klar) ist der vor zwei Jahren erschienene Vorgänger von "Neues Spiel" - fast ausschließlich mit eigenen Melodien und eigenen Texten. "Allem Anschein nach bist Du's" (Ain't No Sunshine) ist die einzige Ausnahme, dieser Titel war später der Startpunkt für das neue Spiel und ist auch auf der neuen CD enthalten. Wer das neue Spiel aber bis ganz zum Ende durchgehört hat, hat als verstecktes Lied eine Gwildis-Eigenkomposition gehört und sicher schätzen gelernt. "Geh doch" stammt auch bereits von "Wajakla".

 

Als ich die CD, die erst Anfang 2004 nach den jüngsten Erfolgen wieder aufgelegt wurde, bestellt hatte, war ich noch unsicher, ob die anderen Titel gegenüber diesen beiden tollen, aber mir schon bekannten Songs abfallen würden. Das Gegenteil war nachher der Fall. Bis auf einen "Hänger" in der Mitte der Tracklist besteht "Wajakla" aus einer Aneinanderreihung von Perlen in deutscher Sprache. Dabei lässt sich Gwildis in keine Schublade stecken: Schöner deutscher Pop ("Schnee in seiner Hand"), Funk wie von Earth, Wind and Fire ("Ali's Bude", "Wajakla") sowie tolle Balladen ("Geh doch", "Für immer und ewig") wechseln sich mit italienisch-deutschem HipHop (Sehr witzig: "Mr. Canoni") und einem nachdenklichen Rap ("Werden und vergehn") ab.

 

Die Höhepunkte sind neben den vier Titeln, die aus dem Live-Programm der Gwildis-Band stammen und auch auf der DVD "Neues Spiel: Live!" enthalten sind (Allem Anschein, Geh doch, Wajakla, Ali's Bude) die Titel "Bonzo" und "Wo bist Du grad".

 

Stefan Gwildis hat bereits auf "Wajakla" den Kern seiner heutigen Band dabei. Martin Langer am Schlagzeug, Achim Rafain am Bass, Ralf Schwarz an den Keyboards und Mirko Michalzik an der Gitarre sorgen für die Grundlage, auf denen Hagen Kuhr (Streicher) und Matthias Clasen (Bläser) die I-Tüpfelchen arrangiert haben. Insbesondere die Bläser-Arrangements auf den funkigen Titeln und die Saxophon-Soli bei den Soul-Stücken sind toll gemacht. Gitarre und Keyboards wechseln sich ansonsten in der "Federführung" ab. Neben den bereits genannten Musikern waren auch noch Julia Schilinski (Background-Gesang) und Pablo Esquyola (Percussion) von der jetzigen Stefan-Gwildis-Band (Olympix) beteiligt.

 

Ich habe selten eine so ausgeglichen gute, und trotzdem von den Stilrichtungen her so abwechslungsreiche CD gehört. Ich habe selten auch so durchgehend gute, nachdenkliche oder witzige Texte gehört. Wer sich davon überzeugen will, dass Stefan Gwildis nicht nur Klassiker auf deutsch singen kann, sondern auch selbst tolle Texte und Melodien schreiben kann, kann sich auf "Wajakla" hiervon überzeugen.

 

Die Titel im einzelnen:

 

Schnee in seiner Hand (3:35): Ein guter Auftakt für die CD. Eingängiger, aber nicht zu flacher Pop, schöne Melodie und ein sehnsüchtiger Text – über einen italienischen Eiscafebesitzer, der im Winter Sehnsucht nach seiner Heimat hat – nun aber auch in seiner neuen Heimat seine Liebe gefunden hat – und wiederum Sehnsucht nach dieser hat, wenn er im Winter in Italien ist. Sehr schöne Brücke auf dem Klavier vor der letzten Strophe.

 

Ali’s Bude (3:40): Der oben schon erwähnte funkige Reißer, bei dem die Bläser wie bei „Earth, Wind and Fire“ agieren. Ein Plädoyer gegen langweilige und steife Matinees bei einem Galeristen mit Prosecco und Langusten. Mehr Spaß macht da doch das Tanzen im Hinterzimmer der Dönerbude. Live (als Zugabe gespielt) tanzen hier auch die Zuschauer.

 

Allem Anschein (3:06): Dieser Titel ist auch auf „Neues Spiel“ enthalten, ein Review findet sich hier auf dem Lone Reviewer unter „CDs 2003“.

 

Wajakla (4:06): Auch dieses Lied ist sehr „funky“ und eingängig. Der Text behandelt eine märchenhafte Beziehung, die nach langer Zeit auseinandergeht, wobei einigen Leuten wohl schon lange klar war, dass sie nicht gut gehen konnte („Wajakla“). Die Brückenstrophen sind die (leicht veränderte) erste und (leicht gekürzte) letzte Strophe von Erich Kästners „Sachliche Romanze“.

 

Geh doch (5:07): Ein „Schleicher“, getragen von „gestopfter“ Trompete, Klavier und „gewischtem“ Schlagzeug, ein Review findet sich hier auch unter „CDs 2003“, da der Titel auch auf „Neues Spiel“ als verstecktes Lied enthalten ist.

 

Regenlied (4:50): Mein Skip-Titel, jazzig, nicht schlecht, aber nicht ganz mein Fall – die „hookline“ fehlt.

 

Bonzo (4:17): Dieser Titel ist (wie oben schon erwähnt) einer der Höhepunkte. Der Text enthält einige interessante Gags und interessante Wendungen, Reime und Wortspiele – schlicht genial. Selbst der sabbernde und sich schüttelnde 100-Kilo-Bonzo ist mal zu hören.

Es geht um ein Rendezvous mit einer Traumfrau, die dann leider einen Riesen-Hund mitbringt, der dann sofort zum Mittelpunkt des Geschehens wird. Ein witziges Element im Text ist, wie der Hund im Laufe der Strophen immer gewaltiger und schwerer wird. Neben dem tollen Text hat dieser Song auch eine Melodie, die in alle Wippmuskeln geht - ein Extrem-Gute-Laune-Titel. Die Melodie und der witzige Text laden zum Mitsingen („der Mittelpunkt der Welt hat Fell und bellt“) und Mitswingen ein. Vorsicht beim Autofahren: Das blöde Dauergrinsen im Gesicht könnte von anderen Verkehrsteilnehmern als „Beleidigung“ angesehen werden („lacht der mich aus?“).

 

Wo bist Du grad (4:30): Ein weiterer Höhepunkt. Ein nachdenklicher Titel über einen Partner, der seinen Tagträumen nachgeht und dessen Blick immer durch die Wand geht. Man möchte ihm am liebsten auf seine Traumreisen folgen, um überhaupt mal wieder gedanklich in seiner Nähe zu sein. Akustikgitarre und E-Gitarre (dazu Schlagzeug, Bass und schöne Percussion-Sprenkel) tragen die tolle Melodie – zum Schluss kommt auch noch die Hammond dazu.

 

Gleichnochmal (3:28): Gleichnochmal gibt es im nächsten Titel schönen, eingängigen Pop. Der Text behandelt Situationen, bei denen man sofort etwas noch einmal macht, obwohl man gerade schlechte Erfahrungen gemacht hat, etwa in der Achterbahn, in der einem zwar ganz schön übel wurde, aber in die man nach der ersten fahrt doch gleich wieder zurück möchte.

 

Mr. Canoni (2:16): Ein ungewöhnlicher Titel. Ist das italienischer Hip-Hop mit englisch-italienischem Text? Und wie viele Leute sprechen und singen da eigentlich? Interessant zu einem lustigen Titel zusammengesetzte Textfetzen. Nach mehrmaligem Anhören hat der Titel irgendetwas .. Mr. Canoni hat sich vom Skip-Titel zum Ich-muss-ihn-nochmal-hören-Song entwickelt.

 

Werden und vergehn (5:40): Der zweite ungewöhnliche Titel mit Saxophonbrücken und viel gescratchten und gerapten Anteilen. Ein witziger Text über ein Gespräch mit einem großen Stein in der Elbe („listen to the stone“), wobei der Stein natürlich die „Ruhe weg“ hat und mit „Werden und vergehn, hör mal zu, und bleib mal kurz stehn, wir werden sehen“ antwortet.. Dem Stein werden die entscheidenden Fragen des Lebens gestellt, wie etwa über die Existenz von Reisebügeleisen und Problemzonengymnastik.

 

Für immer und ewig (5:23): Eine schöne Ballade zum Schluss, von einer Akustikgitarre getragen, mit einer tollen, obwohl traurigen Melodie – die Streicher kommen hier auch zum Einsatz. Der Text handelt vom Ende einer Beziehung. Zwar hatte man sich „für immer und ewig“ versprochen, aber der Schwur galt „nur auf dem Wasser“ und „nicht an Land“. Der Titel gewinnt in der Mitte an (Instrumenten-) Fülle und Dynamik, ein Saxophon-Solo leitet dann die nächsten Strophen ein.

 

 

 

Wer auf dieser CD lange durchhält und am Ende des letzten Tracks eine Minute wartet, bekommt auch hier noch einen Bonus - nämlich die Auflösung, warum ein Zuschauer im auf DVD veröffentlichen Konzert "Neues Spiel: Live!" das Backen von "Bratbrot" als seine Lebensleistung ansieht. Vor dem letzten Lied des regulären Sets auf der DVD, „Komms zu nix“, geht Stefan Gwildis ins Publikum und fragt „was würdet ihr dem Schöpfer sagen, wenn ihr vor ihn tretet und er Euch fragt, was habt ihr getan?“. Ein Zuschauer antwortet „Ich habe Bratbrot gebacken.“ Bratbrot gebacken? Wie kommt der Zuschauer auf so etwas? Und löst damit insbesondere bei der Band auf der Bühne extreme Heiterkeit aus. Der Zuschauer war Experte: Als Stefan Gwildis noch mit der Drückerkolonne Comedy in Schmidt's Tivoli gemacht hat, gab es ein Programm mit dem Namen "Bratbrot im Schratbart" .. eine Kostprobe in Form eines „Gedichts“ findet sich als Bonus auf dieser CD.

 

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