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 Runrig: Everything you see

CD-Review

 

Runrig: Everything you see

(erschienen: Mai 2007)

 

runrig-everything 

 

34 Jahre und kein bisschen leiser –

Schottische Hymnen im kantigen Rock-Pelz

 

 

Die Erfinder der inoffiziellen schottischen Nationalhymne „Loch Lomond“ sind wieder da. Als sie in 2003 mit einem bombastischen Open-Air-Konzert ihr 30-jähriges Jubiläum feierten, das auch auf DVD verewigt wurde (siehe hier), dachten aber schon viele, der Zenit der Band sei nun endgültig erreicht. Das zum Jubiläum erschiene Album „Proterra“ hielt auch nicht ganz den Standard des genialen Schotten-Rocks von „Stamping Ground“ aus dem Jahre 2001, das in unseren Top-Listen bei den Alben des neuen Jahrtausends ganz oben steht (siehe hier, dann die Top-Liste von Andreas).

 

Insofern waren die Erwartungen etwas gedrückt, als im Mai 2007 nun ein neues Studioalbum der Schotten herauskam. Würde sich der Trend zu etwas synthetischeren Klängen fortsetzen? Würden sie noch einmal an die Qualität der alten Hymnen oder der Rock-Folk-Verbindung von „Stamping Ground“ herankommen?

 

Erstaunlicherweise sind die Erwartungen mit dem neuen Album „Everything you see“ deutlich übertroffen worden. Runrig hält wieder die Balance zwischen anrührenden Balladen und rockigen Gassenhauern, fast immer mit hymnischen Melodien.

 

Das Album startet mit drei Stimmungsmachern. Die beiden Single-Auskopplungen Year of the flood und Clash of the ash werden dabei nur von Road trip unterbrochen. Die Melodien sind vielleicht etwas einfach gestrickt, und dass die schottischen Klänge beim Gassenhauer Clash of the ash durch Dschingis-Khan-artige „Uhh-ahh“-Laute untermalt worden, schien nicht unbedingt nötig. Insgesamt aber ein schwungvoller Auftakt zu einem Album, das danach immer besser wird. Ein Stimmungsmacher wird später noch mit This day kommen.

 

Balladen und Rock-Hymnen, die sich in der Dynamik stark steigern können, waren schon immer ein Markenzeichen der Runrig-Songschreiber, den Brüdern Macdonald (Bass, Gesang; Percussion). Auf Everything you see gibt es davon einige. Die gälische Ballade An Dealachadh (The Parting) ist noch eher klassisch schön, The Ocean Road mit sechseinhalb Minuten dagegen aber sicher der stimmungsvolle Höhepunkt des Albums. The Ocean Road steigert sich von einer Ballade in ein hartes Gitarrensolo hinein, das ein orgel-untermaltes Chor-Schlussdrittel einleitet. Die Schlusstrophe geht dann in ein zweites Gitarrensolo über. Insbesondere das Chor-Schlussdrittel wird in Live-Konzeten zum Mitsingteil für das Publikum werden, mit Wunderkerzen, Feuerzeugen oder – heute eher trendy – leuchtenden Handy-Displays untermalt.

 

Und während andere Alben zum Ende hin ausfransen, gibt es auf Everything you see als Abschluss noch einmal drei Hymnen. Something’s got to give wird dabei vom Keyboarder Brian Hurren allein bestritten, der seinen Gesang selbst mit einer stimmungsvollen Orgel untermalt. Der Schlusstitel In Scandinavia ist ein weiterer Höhepunkt des Albums, der in seiner Spannbreite von stimmungsvoller Ballade über den Einsatz des Schlagzeugs nach zweieinhalb Minuten bis zur E-Gitarren-Rockhymne im Schlussteil alles bietet, was die Band Runrig ausmacht. Interessant bei In Scandinavia, das am Schluss Bruce Guthro, der Lead-Sänger, von Ingebjorg Heldaas am Gesang abgelöst wird.

 

Auch die beiden Hard-Rocker des Albums, Atoms und Sona, sind gelungen. Das Startriff von Atoms, das sich zur Mitte und am Ende wiederholt, klingt in den Harmonien schon fast nach den neuen Deep Purple unter Steve Morse und Don Airey. Und Sona hätte auch gut ein Instrumental werden können, zumindest wurde es ein anderthalbminütiges Instrumental-Intro.

 

Die Trackliste des Albums:

 

1. Year of the flood 4:10

2. Road trip 4:24

3. Clash of the ash 3:16

4. The ocean road 6:32

5. Atoms 4:51

6. An dealachadh 3:08

7. This day 4:22

8. Sona 4:55

9. Something's got to give 3:21

10. And the accordions played 4:58

11. In scandinavia4:54

 

Das aktuelle Lineup von Runrig:

 

runrig-band 

 

Rory MacDonald (Songwriter, bass, vocals)

Calum MacDonald (Songwriter, percussionist)

Malcolm Jones (Guitars, pipes, accordion)

Iain Bayne (Drums)

Bruce Guthro (Lead vocals, guitar)

Brian Hurren (Keyboards, vocals)

 

 

Vier Fünfminüter und ein Sechseinhalbminüter befinden sich unter den elf Titeln des Albums. Nur drei Titel sind überhaupt unter vier Minuten lang. Das zeigt schon, dass die Lieder zum größten Teil entwickelt werden und auch Instrumentalteile oder Soli ihren Raum besitzen.

 

Das Album wird in den Review-Portalen teilweise (berechtigt) über den grünen Klee gelobt, manchmal aber gerade von Fans der ersten Stunde auch zerrissen. Letzteres ist wohl auch auf einige Hardliner zurückzuführen, die den neuen Runrig-Leadsänger Bruce Guthro (immerhin schon seit 1998 dabei) auch nach 9 Jahren noch ablehnen. Andererseits werden eventuell auch die lange bekannten Schwächen von Runrig überbetont: Natürlich haben die Macdonalds als Songwriter ihren eigenen Stil, den sie nun seit über 30 Jahren beibehalten. Die Melodien sind gerade in der Rubrik Gassenhauer etwas einfach gestrickt, die Übergänge zwischen E-Gitarren-Rock-Riffs und akustischen Strophen nicht immer ganz sauber und gelungen. Aber wen interessiert das, wenn hier insgesamt ein Album entstanden ist, das weit über dem Durchschnitt der Produktionen dieses Jahres liegen wird. Schöne schottische Hymnen, die sich sehr oft in einen kantigen Rock-Pelz verpacken; sehr stimmungsvoll zum Träumen die Balladen, sehr mitreißend zum Mitwippen die Stimmungsmacher. Und handwerklich wieder perfekt gespielt.

 

Vielleicht wechseln die Schotten ihre inoffizielle Nationalhymne nach Jahren ja noch einmal aus. Loch Lomond könnte mit The Ocean Road einen würdigen Nachfolger finden.

 

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

 

Links:

 

Offizielle Seite der Band:

 

http://www.runrig.co.uk/

 

Offizielle MySpace-Seite:

 

http://www.myspace.com/runrigofficial

 

Schöne, immer aktuelle, deutsche Fan-Seite:

 

http://www.runrig.de

 

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