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 Corrs: Home

The Corrs – Home

 

Erscheinungsdatum: 23.09.2005

 

Vom nicht ganz gelungenen US-Trip zurück nach Hause –

Caroline Corr erfüllt den Fans irischer Popmusik gleich mehrere Wünsche

 

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Danke, Caroline!

 

Ausgerechnet die Schlagzeugerin der irischen Band The Corrs, Caroline Corr, hörte anscheinend genau hin, was die Fans irischer Popmusik seit der Jahrtausendwende über die Veränderung in der Musik der Geschwisterband dachten. Das Irische in der Musik wurde schon auf „In Blue“ (Album, 2000) sehr weit in den Hintergrund gedrängt, Tin Whistle, Bodhran und Violine waren fast überflüssiges Beiwerk geworden. Zwar wurden diese Instrumente auf „Borrowed Heaven“ (Album, 2004) wieder hervorgeholt, aber die extrem fette Produktion des letzten Corrs-Albums erforderte sehr aufmerksame Ohren, um im Synthesizer- und E-Gitarren-Gewitter die irischen Elemente herauszuhören. Wo ist das irische in der Musik, fragten sich viele Fans. Und: Diese überproduzierten Studio-Alben mögen wir nicht mehr, live sind die Corrs dagegen genial, lautete ein anderer Fan-Kommentar.

 

Schon kurz nach Erscheinen des Albums „Borrowed Heaven“ las der Lone Reviewer dann erstaunliche Zitate aus einem Interview mit Caroline Corr. Die Schlagzeugerin, durch ihr zweites Baby auf Touren etwas in den Hintergrund gedrängt, gilt schon seit einiger Zeit bei vielen Fans als die Bodenständigste der Corrs. „Das nächste Album wird eines mit ausschließlich irischen Songs“ hieß es da. Und weiter: „Die Fans mögen uns lieber live, wir werden vielleicht mal ein Album komplett live aufnehmen.“

 

So richtig glauben konnten wir die beiden Aussagen von Caroline zu dem Zeitpunkt noch nicht. Als sich dann im Jahre 2005 andeutete, dass das neue Album namens „Home“ tatsächlich eines mit Cover-Versionen irischer Songs werden würde, schien sich zumindest der erste Wunsch zu erfüllen. Die ersten Probekonzerte, unter anderem in Paris, ließen Großes erwarten, obwohl hier nur vier der neuen Titel live zu hören waren. Aber man kannte den Effekt ja bisher bei den Corrs: Live außergewöhnlich, exzellent. Und im Studio dann überproduziert, glattgefiltert, totpoliert.

 

Erst kurz vor dem Erscheinen des Albums stellte sich dann im Electronic Press Kit, einem Making-Of des Albums, heraus, dass Caroline auch mit ihrer zweiten Aussage Recht bekommen würde. Das Album wurde tatsächlich live aufgenommen, nicht mit Publikum, aber mit der kompletten Band in einem großen Raum gleichzeitig unter Live-Bedingungen eingespielt – nur das Orchester wurde hinterher noch dazugemischt.

 

Danke, Caroline!

 

Das Album „Home“ hört sich endlich wieder so an, wie man die Corrs insbesondere live von ihrem Unplugged-Album (oder der Unplugged-DVD) her kennt. Transparente Musik mit größtenteils akustischen Instrumenten, wunderschön arrangiert (darin sind die Corrs sowieso Weltmeister) und mit einem Händchen für die Auswahl schöner Melodien.

 

Aber Vorsicht: es gibt kaum „Jigs and Reels“ auf diesem Album, also keine irische Pub-Party-Tanzmusik - Iren haben eben auch eine sehr melancholische Ader. Die meisten Songs stammten aus dem Songbook der vor einigen Jahren verstorbenen Mutter.

 

Die transparente und luftige Produktion ist sehr angenehm. Ein Glück, dass Olle Romo, der Produzent von „Borrowed Heaven“, durch Mitchell Froom ersetzt wurde, der auch schon den Klassiker der Corrs, das Unplugged-Album, produziert hatte.

 

Zu den Songs im Einzelnen:

 

My Lagan Love: Dieses Auftaktlied gibt schon die Marschrichtung vor, ein Marschrhythmus am Schlagzeug unterstützt Akustikgitarre und Piano, dazu gesellt sich noch das BBC Concert Orchestra. Trotz des Orchesters mit diversen Streichern sind Sharon’s Violine und Andrea’s Tin Whistle noch prominent zu hören. Andrea selbst muss bei diesem Lied mit ihrer Stimme tief in den Keller. Der Lagan ist übrigens der durch Belfast fließende Fluss.

 

Spancill Hill: Auch dieses Traditional ist von einer Akustikgitarre getragen und wunderschön arrangiert. Der Titel endet in einem Violinen-Solo, dann kommt die Bodhran dazu, dann die Gitarre, dann die Tin Whistle, schließlich das Orchester, eine der schönsten instrumentalen Schlussteile, die ich kenne. Die Einzel-Instrumente blenden langsam aus, das Orchester bleibt, auch ein schöner Ausblendeffekt am Ende. Spancilhill, in dieser Form geschrieben,  ist bei Ennis im County Clare ein jährlicher Pferdemarkt, der Anhaltspunkt für dieses Lied war.

 

Peggy Gordon: Akustikgitarre, Mandoline und Tin Whistle bestimmen diesen Titel, auf dem Andrea in einer Männerrolle singt (wie noch mehrfach auf dem Album, irische Klassiker wurden wohl oft aus männlicher Perspektive geschrieben). Für das Instrumental-Solo kommt Sharon an der Violine zum Einsatz.

 

Black is the colour: Düster, dröhnend, etwas zu treibend, sehr dunkel gesungen: das sind die Attribute für eines der bekanntesten irischen Lieder. Eine schöne Brücke mit Violine und Tin Whistle und einsetzendem Orchester rettet etwas die Stimmung. Trotzdem: Cara Dillon’s vor wenigen Jahren preisgekrönte Version dieses Liedes gefällt mir besser. Und auch hier schlägt der Corrs-Effekt wieder zu: Live (im Juni 2005 Open Air in Bonn) gefiel mir dieser Titel auch weitaus besser.

 

Heart like a wheel: Dieser Titel ist nicht irisch, sondern wurde von der kanadischen Folk-Sängerin Anna McGarrigle geschrieben. Weltweit bekannt wurde der Titel durch  Linda Ronstadt, die mit dem gleichbenannten Album ihren internationalen Durchbruch in den 70ern feiern konnte. Aber selbst als jahrzehntelanger Linda-Ronstadt-Fan muss ich zugeben, dass mir hier das Cover besser gefällt als das schon geniale Original. Linda Ronstadt singt mit mehr Vibrato, hier ist allerdings die klare und traurige Stimme von Andrea weit gänsehauterzeugender und stimmungsvoller. Als Instrumentalbegleitung ist nur Jim am Piano zu hören. Ein Höhepunkt des Albums. Die beste Version des Titels gab es natürlich wieder im Juni 2005 live in Bonn: 5 Meter vor der Bühne stehend, Andrea mit geschlossenen Augen, mit noch mehr Druck und Leidenschaft singend als in der Studio-Version.

 

Buachaill On Eirne: Ein von Klavier und Tambourin getragener Titel, auf gälisch gesungen! Sensationellerweise fand man ihn selbst im Kommerzradio (wie auf NDR2) in Playlisten kurz nach Erscheinen des Albums!! Zur Mitte des Songs setzt das Schlagzeug ein,  Violine und Tin Whistle bestimmen die Instrumental-Brücke. Falls man seine persönlichen Playlisten zu „Home“ programmieren will: dieser ist einer der Muss-Titel des Albums.

 

Old Hag: Ein Instrumental-Titel, der die Jigs’n’Reels-Freunde begeistern dürfte. Tin Whistle, dann Bodhran, dann Geige und ein zum Schluss treibendes Schlagzeug würden jedem irischen Pub einheizen. Trotzdem, so ganz die Qualität von Joy of Life oder Toss the Feathers aus dem langjährigen Live-Programm der Corrs hat Old Hag nicht.

 

Moorlough Shore: Ein von Akustikgitarre und Mandoline getragener Titel, als Instrumentalbrücke Sharon’s Violine, mündet schließlich in eine schöne instrumentale Schlussstrophe.

 

Old town: Der Titel ist schon vom Unplugged-Album und aus verschiedenen Live-Versionen bekannt. Die Home-Version ist schnell, stampfend (durch E-Gitarre und Saxophon), trotzdem etwas schwerfällig, lange nicht so leichtfüßig wie auf dem Unplugged-Album. Die beste Version des Titels gibt es mittlerweise als DVD-Version auf „All the way home“, einem Mitschnitt eines Konzerts aus Genf. Trotz der Einschränkungen ist Old town aber der große Corrs-Hit im Winter 2005/2006, der massive Airplay (nicht nur bei NDR2) erhält.

 

Dimming of the day: Andrea singt da aber komisch, sagten einige nach dem ersten Anhören dieses Traditionals. Nein, Andrea singt da gar nicht, sondern Sharon -  mit etwas „erwachsenerer“, nicht so glasklarer Stimme. Sharon zieht die Silben etwas und klingt damit schon irischer als Andrea. Ein ruhiger Titel zur Akustikgitarre.

 

Brid Og Ni Mhaille: Der zweite gälische Titel, beginnend a cappella mit Andrea’s Stimme, simuliert die Stimmung eines irischen Pubs, in dem jemand einen Song startet und dann nach und nach weitere Musiker einsteigen. Anto Drennan hat sein Pint zur zweiten Strophe getrunken und setzt dann mit der Akustikgitarre ein, dann folgen schrittweise Orchester und Piano. Eine sehr schöne Mittelstrophe wird instrumental durch Violine und Marschrhythmus an den Drums bestimmt.

 

Haste to the Wedding: Ein schnelles Instrumental, das aber schon in besseren Live-Versionen in Fankreisen bekannt ist. Mit Geige, Bodhran, dann Tin Whistle und Gitarre eine typisch irische Instrumentierung, schließlich kommt sogar noch ein Akkordeon dazu.

 

Return to Fingall: Ein getragenes Instrumental, ebenfalls von der letzten Tour bekannt und somit auch auf der DVD „All the way home“ enthalten. Piano und Violine teilen sich den Start, danach setzt die Band ein. Wer diesen Titel nicht auf dem Album findet, weiß nachträglich, dass er das Album entweder nicht bei Karstadt oder dort die falsche von zwei Versionen gekauft hat. Das Fehlen dieses Bonustracks auf den meisten europäischen Home-Versionen war der Hauptkritikpunkt der Fans an diesem Album.

 

Unser Fazit:

 

Den „wir-wollen-jetzt-auch-in-den-USA-massiven-Erfolg-haben“-Trip haben die Corrs zunächst einmal Ad Acta gelegt – er war mit Ausnahme von „Breathless“ auch nur mit unterdurchschnittlichem Erfolg beschieden. Die US-Mainstream-Radio-tauglichen Songs a la Breathless finden sich auf „Home“ nicht. Dafür aber alles, was die Fans der ersten Stunde an den Corrs so schätzten: Irische Folk-Elemente und –Instrumente in Popmusik perfekt arrangiert. Das Album ist sehr melancholisch und weniger fröhliche Trink- und Tanzmusik. Und die irischen Klassiker hören sich bei den Corrs natürlich nicht so an wie bei Sinead O’Connor oder Van Morrison oder den Dubliners – natürlich nicht, sonst wäre dieses Album auch überflüssig. Das Corrs-Arrangement der irischen Songs ist gerade das Sahnehäubchen – und nicht das Manko. Das Manko des neuen Albums war dann auch von Anfang an bekannt - seit Caroline ihr frühes Interview dazu gab: Dieses Mal war kein Lied von den Corrs geschrieben, das wird dann auf dem nächsten Album wohl nachgeholt.

 

Caroline hatte zwei gute Ideen zum richtigen Zeitpunkt. Und wenn das an der Weisheit der Schwangeren lag, dann muss das nächste Album perfekt werden, Sharon und Jim werden da schon die passenden Ideen haben. Sharon erwartet im Frühjahr 2006 ihr erstes Baby und Jim im Sommer .. na ja, nicht er selber, sondern seine zukünftige Frau.

 

Damit wäre dann auch schon dafür gesorgt, dass in 20 Jahren ein Quartett „The Young Corrs“ die dann schon in die Jahre gekommenen Eltern ablösen kann .. und trotzdem noch die irische Musiktradition in modernen Arrangements weiterträgt ...

 

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

 

 

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