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 Conny Reusch: Augen auf

CD-Review

 

Conny Reusch: Augen auf

(erschienen: März 2006)

 

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Ohren auf für Conny Reusch

-

dank MySpace hinter den Vorhang gesehen

 

 

Da haben wir doch mal wieder eine schöne CD in der „Heavy Rotation“: Melodischer Pop-Rock, sehr gitarrenlastig, weibliche Stimme, deutsche Texte.

 

Juli? Wir sind Helden?

 

Nein. Die Stimme ist kräftiger und sicherer, die Gitarrenläufe sind virtuoser, das rockige Element überwiegt bei den härteren Stücken deutlich.

 

Silbermond?

 

Nein. Die Stimme ist erwachsener, wärmer, voller, mit sehr variablem Ausdruck. Und schrammelnde Gitarren gibt es kaum, dafür fast altmodisch zu nennenden gitarrenlastigen „Melodic Rock“ aus den Siebzigern, mit gespielten Gitarren a la Toto und Heart. Die Assoziation zu Heart kommt natürlich insbesondere durch die weibliche Stimme und die Spannbreite zwischen ruhigeren Titeln mit akustischen Gitarren und härteren Titeln mit jaulenden E-Gitarren. Die Assoziation zu Toto wird untermauert, liest man im Web die Vorbilder des Lead-Gitarristen der Band: Neben Steve Morse und Mark Knopfler gehört Steve Lukather von Toto dazu.

 

Nun, um welches Album es sich handelt?

 

Es ist das Debut von Conny Reusch und ihrer Band: „Augen auf“ heißt es, und ist eine positive Überraschung in vielfacher Hinsicht. Da Conny Reusch (wie könnte es im Zeitalter des Dudelfunks und der Superstarsuchsendungen anders sein) uns aber noch nicht durch Radio und TV bekanntgemacht wurde, half uns (zum ersten Mal übrigens) das chaotische Kontakte-Web namens MySpace.

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Als wir uns eines Tages schon wieder über das grausige MySpace-Layout mit der Eine-Einzige-Seite-pro-Künstler-Philosophie zu ärgern begannen, verfolgten wir noch tapfer einige von den tausenden Freunde-Links der uns bereits bekannten Musiker. Irgendwo tauchte der Eintrag von Conny Reusch auf, den Link verfolgt, und - oh Wunder - dieses Mal nicht auf einer Fanseite, sondern auf einer Künstlerseite gelandet. Die vier bereitgestellten mp3-Hörproben begeisterten, also verfolgten wir zunächst den Link zur richtigen Conny-Reusch-Homepage.

 

Der Schock saß zunächst tief. Oops, das war also eine Band aus der christlichen Szene, eine Art „Allee der Kosmonauten“ mit Lead-Sängerin? Hmm, statt Sponsoring und Förderung von RTL also nun hier die Förderung durch den Papst und massive Kirchensteueranteile? Und bei den Texten fürchteten wir nun den direkten und massiven Holzhammer, der uns nach Jahren mal wieder in die Kirche prügeln würde ..

Nichts von den Befürchtungen setzte sich dann aber nach mehrfachem Hören durch. Natürlich konnte man fast alle Texte auch im christlichen Kontext hören, aber im Wesentlichen waren sie Mutmacher, eben auch „Augen-auf“-Macher für eingeschränkte Sichtweisen. Eine der Lieblingstextzeilen war dann auch schnell: „bist Du bereit für die Möglichkeit, hinter den Vorhang zu sehen?“.

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Dank MySpace waren wir bereit, mal hinter den Vorhang zu sehen. Und dank Amazon konnten wir dann auch kurze Zeit später das gesamte Album genießen, das eine Laufzeit von fast 60 Minuten hat – und fast schon altmodische Titellängen von meist viereinhalb Minuten, mit schönen Gesangs- und Instrumentalbrücken und einigen Soli.

 

Einige Anspieltipps:

 

Bist Du bereit?: Ein idealer Auftakt für das Album. Nach scratchendem Beginn und mehreren Drum-Schlägen setzen beide E-Gitarren mit dem Start-Riff ein. Zur ersten Strophe wird der Druck dann zunächst zurückgenommen, die Strophe wird nur von einer Akustikgitarre begleitet. Der Refrain selbst nimmt dann den Druck mit beiden E-Gitarren wieder auf. Und Conny Reusch singt schmetternd und druckvoll (Refrain) als auch nuancenreich und warm (Strophen) oder hoch und sanft (Gesangsbrücke).

 

Was bin ich für Dich: Langsamer Beginn in der ersten Strophe mit Akustikgitarre, später zum Refrain hin wird der Druck mit satten E-Gitarren erhöht. Nach dem (doppelten) zweiten Refrain und einer Gesangsbrücke kommt ein schönes Gitarrensolo.

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Augen auf: Was für eine Gitarrenarbeit im 40-Sekunden-Start-Riff! Das erinnert schon an diverse Glanzlichter des Melodic Rock aus den siebziger und frühen achtziger Jahren. Und wenn Conny Reusch einem „Ideal nachjagt“, so bekommt man allein bei diesen wenigen Silben Gänsehaut. Augen auf ist sicher eines der Stücke auf dem Album, das der härteren Gangart zuzurechnen ist.

 

Prinzessin: Ein schöner Gegensatz zwischen den groovig-bluesigen Strophen und dem fast schlagerhaft poppigen Refrain, der Höhepunkt aber die Gesangsbrücke von Conny Reusch mit dem Schluss-Lacher (und der Betonung von Prinzessin auf der letzten Silbe) und das darauffolgende Gitarrensolo. Die Lead-Gitarre scheint dann auch unter dem Schluss-Refrain.

 

Es geht auch anders: Ein schöner Text über das Endlich-Einmischen-Müssen, schöne Gitarrenarbeit zu Strophen und Refrain, schöne Bassgitarren-Brücke mit Orgel-Sprengseln und anschließendem Steve-Lukather-Solo (auch nein, der spielt ja bei Toto ;-)).

 

Ein und alles: Dieser ruhige Titel wird von Percussion und Akustikgitarre bestimmt. Ein Titel wie aus der Feder von Dania König (von Königwerq), stammt er doch aber komplett von Conny Reusch. Ein wunderschöner Titel zum Träumen, und für diejenigen, die noch einen Zweifel an der Variabilität von Conny Reusch’ Stimme hatten. Weniger Rock, mehr Pop und Rhythm & Blues im bestgemeinten Sinn.

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Wenn der Regen beginnt: Das scratchend verzerrte „Hmmmhmm“ von Conny Reusch leitet einen sehr melodischen Popsong ein, der zum Refrain hin den Druck steigert und sich zu einer rockigen Hymne entwickelt, die interessanterweise „Goosebumps“ erzeugt. Ein schönes E-Gitarrensolo leitet schließlich den sehr druckvollen Schluss-Refrain ein.

 

Wo bist Du hin: Die Schlussballade, vom Klavier begleitet, mit einem sehr nachdenklichen Text. Conny Reusch schildert im Text die Suche nach ihrem Vater, der starb, als sie sechs war. Für sie war der Vater aber immer auf Dienstreise, morgens schon vor ihr aus dem Haus, abends erst nach dem Zu-Bett-Gehen von Conny wieder zurück. In einem Traum findet sie ihn schließlich – im Himmel neben Gottes Thron – und ist beruhigt. Ab jetzt weiß sie, wo ihr Vater ist.

 

Unser Fazit: Wer ein Melodic-Rock-Album mit guten Texten, schönen Melodien, guter Gitarrenarbeit, sehr druckvollen (Bist Du bereit, Augen auf) und sehr ruhigen (Ein und alles, Wo bist Du hin) Momenten sucht, der kann beruhigt bei „Augen auf“ zugreifen. Besonders begeistert hat mich die Stimme von Conny Reusch, sie bietet von druckvollem Rock-Gesang über groovigen R&B bis zur Ballade jeweils die Stimmlage für alle Fälle.

 

Wenn wir Kritik üben wollen, dann nur an der sehr fetten Produktion, die bei den sehr druckvollen Titeln die Einzelinstrumente etwas in den Hintergrund wandern lässt. Außerdem sind die Song-Strukturen und der Wechsel von leise auf laut sehr klassisch und ohne Überraschungen. Und leider hat das Album nicht die Live-Band von Conny Reusch eingespielt, sondern Studio-Musiker. Trotzdem: Ich würde mir wünschen, im Einzugsbereich des Lone Reviewer zwischen Flensburg, Hamburg, Rostock und Berlin einmal ein Live-Konzert ihrer Live-Band mit diesem Programm zu erleben.

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Die Track-Liste des Albums:

 

1. Bist du bereit?           4:39

2. Was bin ich für dich   4:45

3. Hinter den Horizont   4:26

4. Augen auf                  4:28

5. Prinzessin                 4:10

6. Meilenweit                 4:08

7. Der Anfang                5:09

8. Ohne Worte               3:57

9. Es geht auch anders  3:49

10. Ein und Alles             4:41

11. Wenn der Regen beginnt  3:52

12. Wo bist du hin          5:55

 

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Die Live-Band von Conny Reusch:

 

Conny Reusch (Lead-Gesang)

Bernie Geef (Lead-Gitarre)

Christian Bader (Rhythmus-Gitarre)

Hardy Keller (Bassgitarre)

Philipp Renz (Schlagzeug)

 

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Dank MySpace sind wir auf Conny Reusch aufmerksam geworden. Und wir haben mal hinter der Vorhang der christlichen Musikszene geschaut. Natürlich: Selbst einer unserer Livemusik-Helden und Kirchenkritiker Stefan Gwildis hat in einem Interview eine amerikanische Funk-Gospel-Formation als Lieblingsband genannt. Und in Deutschland können solche Inhalte eben auch gut in melodischen Rock verpackt werden. Einfach nur Ohren auf, wenn Conny Reusch singt ..

 

a.h. (andreas@lonereviewer.de)

 

 

Links:

 

www.connyreusch.de

 

www.myspace.com/connyreusch

 

 

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